Einstimmig: Nach dem Nationalrat spricht sich auch der Ständerat klar für ein Schweizer Holocaust-Denkmal aus. Das neue Mahnmal soll in der Bundesstadt Bern zu stehen kommen und neben einem Kunstwerk auch eine Art Museum für Ausstellungen und Veranstaltungen beheimaten.
«Die jüngere Generation kennt den Zweiten Weltkrieg nur noch als historisches Ereignis aus dem Geschichtsunterricht», sagte SP-Ständerat Daniel Jositsch, der einen entsprechenden Vorstoss im Parlament eingereicht hat. «Es ist notwendig, dass diese schreckliche Zeit im kollektiven Gedächtnis bleibt, und dass zu diesem Zweck ein Mahnmal erstellt wird.» Erinnert werden soll an all die Schweizerinnen und Schweizer, die vom nationalsozialistischen Regime verfolgt, entrechtet und ermordet worden sind.
Das Mahnmal soll auch an diejenigen Männer, Frauen und Kinder erinnern, denen die Schweizer Behörden fälschlicherweise die Rettung verweigert haben...
Mindestens 450 Menschen mit Schweizer Bürgerrecht landeten in Konzentrationslagern der Nationalsozialisten. Zählt man Menschen mit Bezug zur Schweiz dazu – etwa in der Schweiz geborene oder wohnhafte Personen – sind es weit über 1000 Schweizer Opfer. Nicht nur Jüdinnen und Juden, sondern auch Homosexuelle oder politische Gegner, die etwa verdächtigt wurden, der Résistance anzugehören, oder Leute, die feindliche Radiosender gehört hatten.
... und an jene Schweizerinnen und Schweizer, die sich dem Nationalsozialismus entgegengestellt haben.
«Das Mahnmal soll aber auch an diejenigen Männer, Frauen und Kinder erinnern, denen die Schweizer Behörden fälschlicherweise die Rettung verweigert haben», so Jositsch. «Und an jene Schweizerinnen und Schweizer, die sich dem Nationalsozialismus entgegengestellt haben.»
Konzept bereits eingereicht
Zwar gibt es bereits über 50 privat initiierte Holocaust-Gedenkstätten in der Schweiz, aber keine der offiziellen Schweiz. Diese soll im virtuellen Raum auch die bestehenden Gedenkstätten vernetzen.
Laut Bundespräsident Ignazio Cassis fordern rund 50 Organisationen ein offizielles Denkmal – ein Konzept und eine Petition wurden bereits 2021 beim Bundesrat eingereicht. Es stammt etwa von der christlich-jüdischen Arbeitsgemeinschaft, dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG), Vertretern der Universität Basel und dem Archiv für Zeitgeschichte der ETH Zürich sowie der Auslandschweizer-Organisation ASO.
Dass Rassismus und Antisemitismus in der Schweiz drängende Probleme bleiben, zeigt etwa der jüngste Antisemitismus-Bericht des SIG: Während der Corona-Pandemie haben antisemitische Verschwörungstheorien starken Aufwind erhalten. Gerade auf Online-Plattformen wie Telegram und Twitter gab es 2021 eine massive Zunahme von Vorfällen um 66 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Realisierung wird Jahre dauern
Der genaue Standort für das Mahnmal in Bern und die konkrete architektonische Umsetzung stehen noch nicht fest. Cassis nannte die Gedenkstätte im Ständerat aber ein «wichtiges Projekt».
Sein Departement erarbeite nun in Zusammenarbeit mit anderen Departementen verschiedene Optionen für die Umsetzung, den Ort und die Finanzierung. Obwohl die Politik nun grünes Licht gab, werden noch Jahre vergehen, bis die Gedenkstätte für Besucher öffnet.