Ein ehemaliger – wegen Kinderpornografie verurteilter – Pfarrer wird aus dem Massnahmenvollzug entlassen. Das hat das Aargauer Obergericht entschieden. Der kinderpornosüchtige Mann sei nicht therapierbar und habe seine Strafe nach über fünf Jahren Therapie absolviert. Die Therapie bringe keine Fortschritte und Sicherheitshaft sei nicht angebracht, schreibt das Gericht in seinem Urteil. Auf den ersten Blick mag der Entscheid überraschen. Gesetzlich sei er aber sinnvoll, sagt eine Expertin.
Was war passiert? Bis zu acht Stunden am Tag konsumierte und verbreitete der ehemalige Pfarrer «zwanghaft und exzessiv» kinderpornografisches Material, steht in einem Bundesgerichtsurteil. Ein psychiatrisches Gutachten attestierte ihm Pädophilie. 2018 wurde der Mann von einem Aargauer Bezirksgericht wegen mehrfacher harter Pornografie zu einer 22-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Diese wurde zugunsten einer stationären Therapie aufgeschoben.
Was für eine Rolle spielt sein damaliger Beruf? Zwischen 2000 und 2013 arbeitete er in den Kantonen Bern und St. Gallen als Seelsorger und im Aargau als Pfarrer-Stellvertreter in reformierten Kirchgemeinden, berichtete «CH Media». Neben der Freiheitsstrafe kassierte der Mann vor dem Aargauer Bezirksgericht auch ein zehnjähriges Tätigkeitsverbot.
Warum sollte der Mann länger in eine Therapie? Im März 2023 verlangte das Aargauer Amt für Justizvollzug eine Verlängerung der stationären Therapie. Der Mann sei weiterhin kinderpornosüchtig. Das Bezirksgericht kam dem Antrag nach und verhängte Sicherheitshaft und eine weitere Therapie. Der Mann beschwerte sich vor Obergericht und dieses gab ihm recht. Er sei umgehend zu entlassen, steht im kürzlich publizierten Urteil.
Wie begründet das Obergericht die Entlassung? Die Voraussetzungen für eine weitere Therapie seien nicht gegeben, sagt das Obergericht. Die über fünfjährige Therapie habe laut Gutachter keinen Erfolg gezeigt. Wenn eine psychische Störung aber verringert werden könne, wären weitere fünf Jahre Therapie möglich, schreibt das Aargauer Obergericht. Voraussetzung ist, dass der Täter weiterhin gefährlich und er behandlungsfähig ist. Für das Bezirksgericht war klar, dass der Mann eine Gefährdung für die öffentliche Sicherheit sei. Das Obergericht aber hält fest, dass es kein erhöhtes Risiko für reale Missbrauchshandlungen gebe.
Was sagt die Expertin? Für Rechtsexpertin Marianne Heer macht das Urteil des Aargauer Obergerichts Sinn. Das Bundesgericht habe in anderen Fällen ähnlich entschieden. Auch wenn der Mann immer noch pädophil sei und weiterhin Kinderpornografie konsumiere, zähle die Straftat: «In der Schweiz strafen wir entsprechend dem Verschulden einer Person». Das Bundesgericht sage, dass bei einem geringen Verschulden auf eine Therapie verzichtet werden kann. Die Dauer einer Massnahme müsse in einem Verhältnis zum Verschulden eines Täters stehen. Eine Freiheitsstrafe von 22 Monaten deute in diesem Fall auf ein relativ geringes Verschulden hin.
Wie geht es weiter? Das Aargauer Amt für Justizvollzug kann den Entscheid anfechten. Dann müsste das Bundesgericht als letzte Instanz urteilen.