Wenn Freihandelsabkommen abgeschlossen werden, gibt es immer Gewinner und Verlierer. Das ist beim Abkommen der Schweiz und der anderen Efta-Staaten mit dem südamerikanischen Handelsbündnis Mercosur nicht anders. Speziell ist aber, dass die Einigung zu einem Zeitpunkt kommt, da die internationale Kritik an der Politik des wichtigsten Mercosur-Staates Brasilien immer schärfer wird.
In Brasilien wüten derzeit die schwersten Waldbrände seit Jahren. Präsident Jair Bolsonaro hat mittlerweile zwar Truppen ins Katastrophengebiet geschickt. Doch es ist ein offenes Geheimnis, dass der Schutz des Regenwaldes und der indigenen Bevölkerung nicht zu den Prioritäten des Rechtspopulisten Bolsonaro gehören.
Schwieriger Zeitpunkt
Wegen der Brände droht mittlerweile auch die Ratifizierung des Freihandelsvertrags, welche die EU Ende Juni mit den Mercosur-Staaten ausgehandelt hat, zu scheitern. Frankreich und Irland kündigten bereits Widerstand gegen das Abkommen an.
Just in diesem Umfeld verkündet die Schweiz stolz den Verhandlungserfolg mit Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay. Es hätte sicher günstigere Zeitpunkte gegeben.
Schweizer Exporteure als Gewinner
Für die Schweizer Industrieunternehmen ist die Einigung zwar durchaus ein Erfolg. Sie gehören zu den Gewinnern des Abkommens und werden nicht mehr benachteiligt gegenüber der EU-Konkurrenz.
Zudem können sich Schweizer Unternehmen an öffentlichen Ausschreibungsverfahren in den Mercosur-Staaten beteiligen.
Indigene und Natur als Verlierer
Doch Nichtregierungsorganisationen befürchten, dass der Amazonas-Regenwald im Zuge des Abkommens noch stärker abgeholzt wird als ohnehin schon. Auch die Rechte der indigenen Bevölkerung sehen sie in Gefahr. Diese drohen zu den Verlierern des Abkommens werden.
Und die Schweizer Bauern setzen ein Fragezeichen hinter die Nachhaltigkeitsstandards in der brasilianischen Landwirtschaft, vor allem was den Einsatz von Pestiziden bei der Gemüseproduktion und dem Einsatz von Hormonen bei der Tierhaltung betrifft.
Zwar sieht das Abkommen in Sachen Nachhaltigkeit einen Dialog vor mit den Vertragsstaaten. Verbindlichen Richtlinien wurden allerdings keine festgeschrieben. Die Natur droht so ebenfalls zur Verliererin des Abkommens zu werden.
Konzessionen im Agrarbereich
Inwiefern auch die Schweizer Bauern zu den Verlierern gehören, ist noch unklar. Fest steht: Die Schweiz musste im Agrarbereich gegenüber den Mercosur-Staaten Konzessionen machen. Für Rindfleisch aus Brasilien und Argentinien etwa gelten künftig höhere Import-Kontingente als dies die internationalen Handelsvereinbarungen der WTO vorschreiben.
Neben der Schweizer Industrie gehören damit auch die südamerikanischen Bauern zu den Gewinnern des Abkommens.
Ob allerdings auch die Schweizer Bauern ihre Zustimmung zum Abkommen geben werden, ist fraglich. Zusammen mit dem erwartbaren Widerstand aus linken und grünen Kreisen, dürfte es den Bundesrat einiges an Überzeugungsarbeit kosten, um die Zustimmung des Parlaments zum Abkommen zu gewinnen.