Das nun ausgehandelte Freihandelsabkommen mit Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay stand von Anfang an in der Kritik. Wenige Stunden nach der Bekanntgabe des Verhandlungserfolgs wächst die Ablehnung.
Abkommen mit Brasilien schwer erklärbar
Als Vertreter der Bauern sieht Markus Ritter die Einigung naturgemäss kritisch. Er moniert, noch am Mittwoch habe der Bundesrat zur Agrarpolitik die Umweltauflagen deutlich verschärft – und heute habe er ein Abkommen abgeschlossen, bei dem diese Bedenken gerade im Umweltbereich kaum eine Rolle gespielt hätten.
Der Präsident des Bauernverbandes will nun vor allem zwei Bereiche genauer anschauen: Einerseits die Zollfrage beim Grenzschutz, andererseits die Nachhaltigkeit – vor allem in den Bereichen Klima, Biodiversität, Pflanzenschutzmittel sowie der Einsatz von Antibiotika.
Keine wirksamen Massnahmen ausgehandelt
Für Ritter ist es unerklärbar, dass Fleisch ohne weitere Auflagen importiert werden soll, nur mit Deklarationswünschen. «Es ist schwierig, dem Bauern und auch dem Konsumenten zu erklären, dass eben ein Land wie Brasilien, das kein greifendes Tierschutzgesetz kennt und seine Nutztiere mit Antibiotika mästet, sein Fleisch ohne weiteres in die Schweiz exportieren kann.»
Ritter erachtet die Bedingungen, die mit den Mercosur-Staaten ausgehandelt wurden, als eine «Feigenblattpolitik». «Man versucht den Bürgern zu sagen, man habe etwas getan, aber diese Masnahmen sind nicht wirksam.»
Online-Petition und Umweltverbände
Für Nachhaltigkeit, Tier- und Umweltschutz engagiert sich auch die so genannte Mercosur-Koalition, ein Zusammenschluss aus etwa zehn Organisationen für Entwicklungshilfe, Verbraucherschutz und Landwirtschaft. Kritisiert wird vor allem, dass die Fälle von Abholzung und Bränden im Amazonas-Regenwald sowie die Verletzung der Rechte der indigenen Bevölkerung durch das neue Abkommen noch verstärkt werden könnten.
Ähnlich argumentiert auch eine Online-Petition unter dem Titel: «Kein Schweizer Freihandelsabkommen mit Amazonas-Zerstörer Bolsonaro!». Innert kürzester Zeit kamen Tausende Unterschriften gegen das Freihandelsabkommen zusammen.
Referendumsdrohung der Grünen
Einen schweren Stand dürfte das Abkommen ebenfalls im Parlament haben. Linksgrün haben bereits Widerstand angekündigt. Grünen-Präsidentin Regula Rytz forderte den Bundesrat dazu auf, den Vertrag dem fakultativen Referendum zu unterstellen. Die Grünen wollen das Abkommen wenn möglich schon im Parlament stoppen. Falls dies nicht gelinge, werde sie sich bei ihrer Parteibasis für die Lancierung eines Referendum einsetzen, so Rytz.
Ein Gewinn für die Schweiz
Anders beurteilt die Schweizer Industrie das Freihandelsabkommen. Hans Hess, Präsident des Industrieverbandes Swissmem, reagierte erfreut auf die Einigung.
Nun hätten auch KMU Zugang zu einem neuen interessanten Markt. «Für unsere exportorientierten KMU war es bislang praktisch unmöglich nach Brasilien zu kommen, weil ihre Produkte etwa 15-25 Prozent teurer waren wegen diesen Zöllen. Das fällt jetzt weg», sagt Hess.
Er könne die Vorbehalte zwar verstehen. Allerdings: «Regierungen kommen und gehen. Wenn wir jedes Mal unseren Handel wieder abschliessen würden, wenn aus unserer Sicht die falsche Regierung an der Macht ist, dann funktioniert das nicht. Das ist ein langfristiges, über Jahrzehnte angelegtes Projekt», erklärt Hess.