Nach der Veröffentlichung von Millionen Daten über Briefkastenfirmen und Steueroasen – den sogenannten «Pandora Papers» – laufen die Social-Media-Kanäle auf Hochtouren. Die Community stellt Fragen. SRF News hat Wirtschaftsrechtsprofessor Peter V. Kunz von der Universität Bern gebeten, diese zu beantworten.
SRF News: Was ist in der Schweiz überhaupt in diesem Zusammenhang legal?
Peter V. Kunz: Unzulässig und strafbar ist erstens die im Strafgesetzbuch geregelte Geldwäscherei, also – etwas trivialisiert – das «Verschleiern» von Geldern aus kriminellen Vortaten (Drogenhandel etc.), was mit mehrjährigen Freiheitsstrafen geahndet werden kann. Zweitens haben die Finanzintermediäre – z.B. Banken – gemäss Geldwäschereigesetz (GwG) sicherzustellen, dass sie bei entsprechenden Transaktionen, etwa bei Geldflüssen über Bankkonten, von den eigentlichen Geldwäschern nicht instrumentalisiert werden. Deshalb haben sie zahlreiche Sorgfalts- und Meldepflichten.
Es ist deshalb bloss eine Frage der Zeit, bis die Schweiz unter internationalem Druck auch Anwälte und ‹Berater› generell dem GwG unterstellt.
Das blosse Errichten von Gesellschaften und Trusts, etwa in Offshore-Ländern wie Panama und den Cayman Islands, meist durch Rechtsanwälte, ohne unmittelbare «Geldkontakte», untersteht hingegen nicht dem GwG. Das heisst, es ist ohne weiteres legal. Der Versuch des Bundesrats, solche «Berater» dem GwG zu unterstellen, wurde vom Parlament abgelehnt.
Drohen der Schweiz (dem Staat) Konsequenzen?
Die internationale Organisation Gafi (Groupe d’Action financière), die unter anderem Standards zur Bekämpfung von Geldwäsche setzt, empfiehlt der Schweiz seit Jahren, «Berater» inkl. Rechtsanwälte für blosse Dienstleistungen betreffend Gründung und Führung von Gesellschaften dem GwG zu unterstellen. Das Parlament hat dies, wie gesagt, abgelehnt. Es ist absehbar, dass die Gafi nicht aufgeben, sondern vielmehr beim nächsten «Länderbericht Schweiz» den Druck erhöhen wird. Es ist deshalb bloss eine Frage der Zeit, bis die Schweiz unter internationalem Druck auch Anwälte und «Berater» generell dem GwG unterstellt.
Sind Superreiche aus Ländern mit hohen Steuern stärker vertreten?
Tatsächlich scheinen Offshore-Konstrukte bei natürlichen Personen und bei Unternehmen nicht selten für «Steueroptimierungen» im Vordergrund zu stehen. Es gibt aber auch weitere Motive, etwa aus persönlichen Gründen, Gelder in Offshore-Länder zu verschieben. So könnte zum Beispiel ein bevorstehender Scheidungsprozess Grund dafür sein. In Ländern mit einer «schwierigen» Rechtsstaatlichkeit könnten Ängste vor Entführungen, Erpressungen und Verstaatlichungen Gründe für solche Machenschaften sein. Offshore-Gesellschaften sind also nicht automatisch illegal, sondern entscheidend sind jeweils die Gründe für deren Errichtung.
Was sind die Unterschiede zu den «Panama Papers»?
Im Prinzip gibt es keinen wesentlichen Unterschied, es handelt sich vor allem um eine jüngere Zeitperiode und um mehr Daten.
Was hat sich seit den «Panama Papers» verändert? Welche Vorkehrungen hat der Gesetzgeber bis dato getroffen?
In der Schweiz hat sich wenig verändert, insbesondere sind die «Berater» aus der aktuellen GwG-Revision, die wohl 2022 in Kraft treten wird, gestrichen worden. Es kann aber festgehalten werden, dass die Schweiz ansonsten durchaus im guten Mittelfeld der Staaten betreffend Geldwäscherei dabei ist – ich würde die Schweiz aber nicht (mehr) als «Musterknaben» bezeichnen.
Was waren im Parlament die Argumente, um das Geldwäschereigesetz zu «verwässern», also etwa Treuhänder und Anwälte auszuklammern?
Primär gab es Angst vor der Aufweichung des Anwaltsgeheimnisses. Ich hatte aber auch den Eindruck, dass es bei gewissen Anwälten ein «Ego-Thema» war, weil man sich einem Generalverdacht ausgesetzt sah. Tatsächlich war der Widerstand etwas irrational, wären doch vermutlich mehr als 90 Prozent aller Anwälte durch die GwG-Revision nicht betroffen gewesen, weil sie schlicht keine solchen Mandate haben.