Am Mittwoch ist eine Gruppe des Schweizer Parlaments nach Kiew gereist. Neben Nik Gugger (EVP/ZH), Yves Nidegger (SVP/GE) und Roger Nordmann (SP/VD) war auch Nationalratspräsidentin Irène Kälin (Grüne/AG) mit dabei – auf Einladung des ukrainischen Parlamentspräsidenten.
Die kleine Delegation traf auch den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski. Laut SRF-Russland-Korrespondentin Luzia Tschirky wurde der Besuch geschätzt. Das Land wünsche sich aber vor allem Waffen – und diese liefert die Schweiz nicht.
SRF News: Was hat der ukrainische Parlamentspräsident mit dieser Einladung bezweckt?
Luzia Tschirky: Irène Kälins ukrainischer Amtskollege hat damit bezweckt, dass sie sich ein Bild vor Ort machen kann. Denn es ist etwas anderes, ob man Bilder der Zerstörung sieht, oder ob man selbst beispielsweise in Irpin steht. Dort war Kälin am Mittwoch zu Besuch.
Der Besuch verändert langfristig nichts. Für die Ukraine bleibt wenig Konkretes.
Sie sah, mit welcher Zerstörungskraft die russische Armee die Infrastruktur der Ukraine zerstört hat. Davon erhofft man sich langfristig Aufmerksamkeit für die Ukraine und natürlich auch konkrete Hilfe.
Wie wurde dieser Besuch in der Ukraine aufgenommen?
Grundsätzlich positiv. Die Menschen vor Ort freuen sich natürlich sehr, wenn es Aufmerksamkeit gibt für das Land, das dringend Hilfe benötigt – beispielsweise beim Wiederaufbau der zerstörten Städte. Es ist allerdings so, dass ein Besuch jetzt nicht langfristig etwas verändert. Denn die Delegation hat nichts Greifbares mitgebracht. Das ist auch nicht Teil ihrer Funktion als Parlamentsmitglieder. Und dementsprechend bleibt natürlich wenig Konkretes für die Ukraine nach diesem Besuch.
Die Schweizer Delegation hat sich auch mit Präsident Selenski getroffen. Wie wichtig ist denn die Schweiz für die Ukraine?
Die Schweiz ist für die Ukraine zwar wichtig. Aber im aktuellen Krieg spielt sie eine untergeordnete Rolle. Es gibt Staaten in Europa, die weitaus wichtiger sind, weil sie in allen Punkten, die die Ukraine fordert – in erster Linie die Lieferung von Waffen und weiteren Verteidigungsmöglichkeiten –, möglichst viel unternehmen.
Für die Ukraine ist es schwierig, die Schweiz in einer Reihe mit anderen europäischen Staaten zu sehen, die Waffen liefern.
Da stellt sich die Schweiz – das hat auch Kälin bei ihrem Besuch betont – auf den Standpunkt, dass dies nicht mit der Neutralität zu vereinbaren sei, und deswegen würden auch künftig keine Waffen geliefert. Das macht es für die Ukraine schwierig, die Schweiz in einer Reihe zu sehen mit anderen europäischen Staaten, die Waffen liefern.
Sie sind in Kiew. Was hören Sie von der ukrainischen Bevölkerung? Welche Unterstützung erhofft diese sich von der Schweiz?
Die Menschen hier reagieren grundsätzlich sehr positiv darauf, dass die Schweiz ihren Standpunkt doch angepasst und sich den Sanktionen angeschlossen hat, welche die EU beschlossen hatte.
Dennoch würden sie sich natürlich noch mehr erhoffen, gerade jetzt, wenn es darum geht, dass man mit Russland einen Waffenstillstand vereinbart oder zumindest humanitäre Korridore für die Menschen, die in Mariupol eingeschlossen sind, ermöglicht. Was hinter den Kulissen genau passiert, das wissen die Menschen hier ebenso wenig wie wir.
Das Gespräch führte Claudia Weber.