Ausländische Staatschefs, die vor dem Schweizer Parlament sprechen, haben eher Seltenheitswert: In den vergangenen 50 Jahren kam es nur acht Mal dazu. Am Donnerstagnachmittag nun wird sich der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski in einer Videobotschaft an das Parlament wenden.
SVP bleibt Selenskis Anspache fern
Die Rede von Wolodimir Selenski soll auf vier Bildschirmen im Nationalrat gezeigt werden und kann auch von der Bevölkerung online live mitverfolgt werden. Die Videoansprache hat jedoch eine Kontroverse ausgelöst. Die Schweiz ergreife zu sehr Partei für die Ukraine und gefährde so ihre Neutralität, sagt SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi. Seine Partei werde dem Auftritt von Selenski deshalb aus Protest fernbleiben.
«Wir müssen aufpassen, dass wir nicht schrittweise immer tiefer in diesen Konflikt hineinrutschen.» Aeschi nennt als Beispiele dafür die Übernahme der EU-Sankionen oder der Plan des Parlaments, 25 Leopard-2-Panzer an Deutschland zu verkaufen.
SP-Meyer: «Zeichen der Solidarität»
Die anderen Parteien hingegen begrüssen, dass der ukrainische Präsident die Ansprache hält. So sagt Mattea Meyer, Co-Präsidentin der SP. «Es ist ein wichtiges Zeichen der Solidarität gegenüber der Ukraine, dass ihr Präsident im Bundeshaus eine Rede halten kann.»
Für die SP sei klar, dass die Ukraine die Unterstützung der Schweiz brauche. Meyer bedauert allerdings, dass die Schweiz dem ukrainischen Präsidenten keine grossen Geschenke machen dürfte. Denn Waffenlieferungen stehen wegen der Neutralität nicht zur Debatte und mehr humanitäre Hilfe hat der Nationalrat abgelehnt.
Selenskis Rede für Mitte selbstverständlich
Philipp Bregy, Fraktionschef der Mitte, verteidigt sich und sagt, die Schweiz tue genug für die Ukraine – etwa durch die Aufnahme von 70'000 Ukrainerinnen und Ukrainer. Für ihn ist klar, dass die Parlamentarierinnen und Parlamentarier der Mitte Selenski heute zuhören werden.
«Es war für uns selbstverständlich, ihm die Möglichkeit zu geben, direkt zum Schweizer Parlament zu sprechen.» Selbstverständlich sei dies auch deshalb, weil Selenski bereits fast alle anderen Staaten in Europa dieses Recht gewährt hätten, sagt Bregy weiter.
«Die Reihen im Saal werden nicht voll sein, aber doch gut gefüllt», schätzt Inlandredaktor Rafael von Matt im Vorfeld von Selenskis Rede. Wenn der ukrainische Präsident am Donnerstagnachmittag per Video zu den Schweizer Parlamentarierinnen und Parlamentariern spricht, darf er sich aber zu einem erlauchten Kreis zählen, dem diese exklusive Ehre gewährt wird.