Gewusel und Aufbruchsstimmung vor dem Chalet des internationalen Pfadizentrums in Kandersteg. Es ist neun Uhr morgens. Ein paar Jugendliche spurten zu einem der Busse, der sie zum heutigen Ausflugsziel bringt. Andere Pfadigruppen sitzen noch an einem der Holztische und müssen auf ihre Gspändli warten, bevor die Wanderung oder Klettertour starten kann.
Seit sich Pfadigründer Robert Baden-Powell in das Dorf und seine Natur verliebt hat, strömen jährlich tausende Pfadfinderinnen und Pfadfinder nach Kandersteg. Treffpunkt: das internationale Pfadizentrum. Vor 100 Jahren wurde es eröffnet – und hat seither das Dorf geprägt. «Die Pfadis mit ihren bunten Foulards, meist in Gruppen unterwegs, gehören zum Kandersteger Dorfbild», sagt Gemeinderatspräsident René Mäder.
Gar in den lokalen Sprachgebrauch haben es die Pfadis geschafft. «Wir nennen sie im Dorf ‹Maggiwürfle›. Das ist aber liebevoll gemeint», stellt Mäder klar. Der Grund für den Übernamen: «Früher kauften die Pfadigruppen jeweils viele Bouillonwürfel im Dorfladen ein. Das ist den Einheimischen aufgefallen und der Spitzname ist geblieben.»
15'000 Gäste jedes Jahr
Die Kandersteger sind den Pfadis wohlgesinnt. «Wir sind froh, das internationale Pfadizentrum in der Gemeinde zu haben», so Gemeinderatspräsident Mäder. Mit den Pfadis komme auch Internationalität, ja die ganze Welt ins Dorf. «Die Pfadis sind ein Mosaiksteinchen des Kandersteger Tourismus.» Ein Mosaiksteinchen, das sich aber nicht verstecken muss.
Bis zu 15'000 Gäste aus rund 60 Ländern besuchen jedes Jahr das internationale Pfadizentrum und generieren im Schnitt über 65'000 Übernachtungen. Das entspricht fast 70 Prozent aller Übernachtungen in Kandersteg. «Die Kurtaxen schlagen sich auch in der Gemeindekasse nieder», erklärt Patrick Jost, Leiter des lokalen Tourismusbüros.
Ohne Pfadizentrum im Dorf wäre das Loch in der Kasse des Schwimmbades noch grösser.
Aber auch das Gewerbe profitiere, sagt der Touristiker: Souvenirshops, Restaurants, Lebensmittelläden. «Eine Bäckerei liefert beispielsweise momentan täglich mehrere hundert Kilo Brot ins Zentrum.» Ausserdem nutzten die Pfadigruppen regelmässig die Infrastruktur der Gemeinde, wie die Kunsteisbahn oder das Schwimmbad, ergänzt Gemeinderatspräsident René Mäder. «Ohne Pfadfinder im Dorf wäre das Loch in der Kasse des Schwimmbades noch grösser.»
Aber am wichtigsten – davon sind beide überzeugt – ist die Werbung, die das Zentrum für die Tourismusregion macht. «Viele Pfadfinderinnen und Pfadfinder kommen zurück nach Kandersteg», so René Mäder. Darum profitiere die Gemeinde auch langfristig von den 15'000 Pfadis jedes Jahr, meint auch Patrick Jost. «Die Pfadis von einst kommen dann als Eltern oder Grosseltern mit ihren Familien zurück nach Kandersteg.»