«Wir suchen Persönlichkeiten mit Appetit auf neue Herausforderungen. Sie sind körperlich fit, arbeiten gerne im Team und schätzen einen Arbeitsplatz in natürlicher Umgebung.»
Wären Schafe Menschen, dann hätte Winterthur wohl mit einem solchen Jobinserat um sie geworben. Mit ihren tierischen Angestellten versucht die Stadt etwas Neues: Die Schafe weiden nacheinander auf verschiedenen Arealen. Früher kamen Rasenmäher zum Einsatz, ein Kahlschnitt war garantiert.
Ihre wählerische Fressweise hilft der Biodiversität.
Die Schafe hingegen fressen das Gras nicht gleichmässig ab. «Sie sind sehr wählerisch», sagt Michael Wiesner von Stadtgrün Winterthur. Gewisse Gräser und Pflanzen fressen sie im Nu. Andere verschmähen sie ganz oder verzehren sie erst später.
Mit dieser Fressgewohnheit sollen die neuen Mitarbeiterinnen die Biodiversität fördern. Wiesner rechnet damit, dass so auf den Wiesen unterschiedliche Lebensräume für Pflanzen entstehen. «Dadurch könnten sich Insekten ansiedeln.» Die Schafe schreckten zudem Mäuse auf – eine interessante Beute für Greifvögel.
Versuch in Zürich ist gescheitert
Momentan weiden die zehn Schafe in Winterthur auf einer Freizeitanlage in der Nähe eines Waldes. Im Herbst ziehen sie auf ein Schulhausareal, später arbeiten sie auf dem Friedhof Rosenberg. Der Versuch soll zeigen, wie sich die Artenvielfalt dort jeweils entwickelt. «Bestätigt sich ein positiver Effekt, suchen wir weitere Flächen», sagt Wiesner.
Winterthur ist nicht die erste Stadt mit tierischen Rasenmähern. In Zürich weiden seit Jahren Schafe auf dem Friedhof Manegg. Die Stadt hat mehrfach versucht, das Konzept auszuweiten. Die Erfahrungen waren laut Grün Stadt Zürich aber mässig. Die Schafe würden die Pflanzen zu stark abfressen, berichtete die NZZ. Deshalb würden sich die Schafe als Ersatz fürs Mähen nicht eignen.
Solche Versuche sind Wiesner bekannt. Der Fehler dahinter ebenfalls, wie er sagt: «Diese Beweidungen durch Schafe waren zu intensiv.» Zu viele Tiere hätten zu lange an einem Ort geweidet. In Winterthur bleiben die Schafe deshalb maximal drei Wochen auf einer Weide.
Die Rasse ist entscheidend
Auch der Erlebnisbauernhof Juckerhof in Seegräben ZH hat schon mit Schafen experimentiert. Shrophsire-Schafe sollten auf dem Hof das Gras zwischen den Obstbäumen fressen. Das Problem: Diese Rasse nimmt schnell zu, die Tiere wurden übergewichtig.
Die richtige Schafrasse ist für das Gelingen entscheidend. Winterthur setzt unter anderem auf Skuddenschafe. Es sind kleine und robuste Tiere, die beim Fressen wählerisch sind. «Mit diesem Verhalten unterscheiden sie sich von einem intensiven Mastschaf», sagt der Landwirt Reto Meier. Ihm gehören die zehn Schafe auf der Freizeitanlage.
Neben dem neusten Projekt in Winterthur betreibt Meier einen Landwirtschaftsbetrieb. Dort setzt er auf Permakultur, pflanzt Früchte und Gemüse an. Den Kot der Schafe nutzt er als Dünger.
Die tierischen Ausscheidungen sollen auf den städtischen Wiesen ebenfalls wirken. Die Schafe verbreiten mit ihrem Kot nämlich zahlreiche Pflanzensamen – ein Plus für Flora und Fauna. Ob dies im Jobinserat auch erwähnt würde?