Landwirtinnen und Landwirte sollen auf Äckern keine zusätzlichen Flächen für Biodiversität schaffen müssen. Der Ständerat hat einen Vorstoss aus dem Nationalrat angenommen. Verbandspräsident Markus Ritter legt dar, warum es um die Biodiversität in der Schweiz aus Sicht vieler Bauern gar nicht so schlecht stehe.
SRF News: Sie seien der mächtigste Mann im Bundeshaus, hat eine Zeitung vor einem Jahr geschrieben. Ist man da geschmeichelt?
Markus Ritter: Nein. Hier drin hat jeder eine Stimme, und jeder versucht, Mehrheiten zu finden. Den einen gelingt es besser, den anderen weniger gut.
Sie sind noch mächtiger geworden im letzten Herbst. Sie haben jetzt eine bürgerliche Mehrheit im Nationalrat, können also noch viel mehr von Ihren Zielen durchbringen.
Das Parlament hat die Mehrheiten sicher etwas verschoben. Es gibt im Nationalrat und im Ständerat eher bürgerliche Mehrheiten. Das ist wahr, das ist jetzt eine andere Situation.
Wir haben schon 19 Prozent Biodiversitätsförderfläche in der Gesamtlandwirtschaft, das ist sehr viel.
Der Bauernverband hat wieder einen Erfolg gefeiert. Im Ständerat sind die 3.5 Prozent Biodiversitätsförderfläche, die vorgesehen waren, abgesagt worden. Da kann man Ihnen gratulieren. Die Frage ist: Kann man auch der Natur gratulieren?
Ich denke, das ist ein vernünftiger Entscheid. Die Landwirtschaft hat heute schon 19 Prozent Biodiversitätsförderfläche. Es bräuchte sieben Prozent, wir haben also fast dreimal mehr, deshalb braucht es diese Massnahme nicht.
Sie sind selber Bio-Bauer. Bio Suisse und IP Suisse – zwei Verbände, die mehr als die Hälfte der Bauern und Bäuerinnen in der Schweiz repräsentieren – sagen, es braucht diese 3.5 Prozent Biodiversitätsförderfläche. Warum sehen Sie das anders?
Weil wir eben schon diese 19 Prozent haben in der Gesamtlandwirtschaft, das ist sehr viel.
Die Biodiversität ist in einem schlechten Zustand in der Schweiz, auch wenn man mit anderen Ländern vergleicht.
Wir haben in den letzten 30 Jahren in der Biodiversität eine starke Entwicklung gehabt. Wenn ich heute über die Felder fahre, sehe ich Störche, Rotmilane, Biber.
Die Hälfte der Insekten in der Schweiz sind vom Aussterben bedroht. Das merkt man auch, wenn man mit dem Auto unterwegs ist, man hat praktisch keine Insekten mehr an der Windschutzscheibe.
Ich bin seit 40 Jahren Imker, seit 20 Jahren Bio-Imker. Wir haben einen sehr erfreulichen Bestand an Honigbienen, der auch Einfluss hat auf die Wildbienen, von denen wir gerne mehr hätten. Es ist immer eine gewisse Verdrängung. Gerade auch bei den Insekten. Die Biodiversität ist uns wichtig, und wir haben Arten, die sich ausgedehnt haben, andere sind zurückgegangen.
Wir wollen auf 190'000 Hektaren die Qualität weiter fördern, damit noch mehr Kleinstrukturen entstehen können.
Der Bundesrat wollte die Massnahme vor zwei Jahren einführen, dann hat man es zweimal verschoben, und jetzt wird es ganz abgesagt. Ihre Parteikollegin Andrea Gmür-Schönenberger hat gesagt, sie fühle sich langsam über den Tisch gezogen – und ich glaube, sie hat auch den Bauernverband gemeint.
Diese Bestimmung war in der Agrarpolitik 22+ drin. Wir wollten sie dort nie haben. Wir haben uns immer gewehrt, weil wir gesagt haben, wir brauchen die besten Böden, die Ackerböden, um Lebensmittel zu produzieren.
Wenn Sie diese 3.5 Prozent nicht wollen: Was machen Sie persönlich und der Bauernverband für mehr Biodiversität?
Wir wollen auf den 190'000 Hektaren die Qualität weiter fördern, damit noch mehr Kleinstrukturen entstehen können. Wir wollen die Vernetzung weiter fördern. Das ist der grosse Hebel, den wir haben. Und das wollen wir im direkten Umfeld der Äcker machen, aber nicht auf dem Acker selber, wo wir Weizen und Brot produzieren wollen für die Menschen in diesem Land.