Die Rückkehr von Pierre Maudet auf die Politbühne in Genf ist für den Politologen Lukas Golder nicht wirklich erstaunlich, wie er im Gespräch erklärt. Geholfen habe Maudet vor allem seine Bekanntheit.
SRF News: Wieso kommt Maudet beim Genfer Wahlvolk wieder so gut an?
Lukas Golder: Maudet war vor der Katar-Affäre ein Politstar der FDP, der unter anderem für den Bundesrat kandidierte. Auch wenn das jetzt nicht mehr der Fall ist, ist Maudet immer noch sehr bekannt, und das ist ein sehr wichtiger Faktor bei kantonalen Wahlen. Das hilft auch, Wählerinnen und Wähler zu überzeugen, die sich vielleicht nicht mehr im Detail an den damaligen Skandal erinnern.
Können sich Politiker also alles erlauben?
Nein, keinesfalls. Wenn der Skandal in den Medien unmittelbar stattfindet, ist die Bevölkerung nicht mehr bereit, die Person mitzutragen. So sind auch schon Politikerinnen nicht wiedergewählt worden, weil ein Skandal den Wahlkampf prägte.
Nach einiger Zeit besteht eine gewisse Bereitschaft, einen Fehltritt zu verzeihen.
Doch nach einiger Zeit, wenn das Urteil gefallen und die Strafe vollzogen ist, besteht eine gewisse Bereitschaft bei einem Teil der Wähler, einen Fehltritt zu verzeihen.
Hängt das auch vom jeweiligen Delikt ab, für das der Politiker verurteilt wurde?
Es gibt in der Tat sicher viel schwerere Delikte, als das, was sich Maudet hat zuschulden kommen lassen. Ausserdem war sein Fall lange und ausführlich in den Medien, die Menschen konnten sich eine eigene Meinung dazu bilden. Offensichtlich sind die Wähler in seinem Fall recht kulant – das zeigt sein gutes Wahlresultat vom Wochenende.
Gibt es ein Muster, wann die Wählerinnen und Wähler bei Verfehlungen in der Politik kulant sind?
Ein zentrales Element sind die Kandidierenden selber. Maudet hat ein Profil, das ergänzend zur FDP etwas stärker Protest-orientiert ist und sehr stark an seiner Figur hängt. Er ist sehr bekannt und führt einen sehr guten Wahlkampf. Das hat sicher geholfen.
Auch Donald Trump, Silvio Berlusconi oder Boris Johnson verfügen über eine feste Fanbasis – egal was sie tun. Wirken sie auch deshalb so anziehend, weil sie sich als starke Männerfiguren inszenieren?
Diese Figuren sind eher bereit, sich nach einem Gewitter erneut einer Wahl auszusetzen. Politikerinnen dagegen sind nach Skandalen eher weniger mutig, nochmals anzutreten.
Auch bei einer Frau wären manche Wähler durchaus bereit, einen neuen Anlauf positiv zu bewerten.
Doch auch bei einer Frau wären manche Wähler durchaus bereit, einen neuen Anlauf positiv zu bewerten. Es geht grundsätzlich meist um Personen, die viel bewegt haben. Ihnen ist man bereit, zu verzeihen.
Ist es grundsätzlich ein positives Zeichen für die Demokratie, dass gefallenen Politikern eine zweite Chance gegeben wird?
Es gibt Grenzen. Wenn jemand so stark wie Trump gegen die Regeln verstösst – indem er einen Aufstand gegen das demokratische System unterstützt – dann ist es schon sehr verwerflich, dass er nochmals antreten kann. Denn das erschüttert die Grundregeln der Demokratie. Doch am Ende entscheiden die Wählerinnen und Wähler.
Das Gespräch führte Isabelle Maissen.