Pierre Maudet steht vor dem Comeback in der Genfer Politik. Er hat mit einem sechsten Platz im ersten Wahlgang gute Chancen, am 30. April in die Genfer Regierung gewählt zu werden. Einen guten Platz bei den Regierungswahlen hatten ihm viele Politbeobachter zugetraut.
Aber dass seine Formation «Libertés et Justice sociale» auf Anhieb auch den Einzug in den Genfer Grossen Rat schafft, damit hatten in Genf die wenigsten gerechnet. Auch, weil die Eintrittshürde für das Genfer Parlament mit einem Quorum von 7 Prozent sehr hoch ist. Der Wahlsonntag in Genf zeigt, dass für einen Teil der Bevölkerung die Verurteilung wegen Vorteilsannahme durch das Bundesgericht kein Thema mehr sein dürfte.
Sieger ist das bürgerliche Lager
Nicht nur mit der Unterstützung von Pierre Maudet haben die Genfer Stimmberechtigten ein Signal des Protestes abgegeben: Der Mouvement Citoyens Genevois (MCG) und die SVP gewinnen im Parlament stark hinzu. Dies auf Kosten der Linksaussenparteien, aber auch der FDP und der Mitte. Während die FDP in einer guten Ausgangslage für den zweiten Wahlgang ist, wird es für die Mitte schwierig. Ihre Regierungskandidatin blieb weit zurück.
Dass ausgerechnet die Protestparteien die Wahl gewinnen, erstaunt: Genf hatte diese Woche einen deutlichen Überschuss in der Kantonskasse bekannt gegeben. Die Wirtschaft floriert, trotz der Inflation und des Ukraine-Kriegs. Das Resultat dürfte vielmehr mit der Krise zu erklären sein, welche die FDP in den vergangenen Jahren mit der Affäre Maudet durchlebte. Trotz der Sitzverluste von FDP und Mitte geht das bürgerliche Lager als klarer Sieger aus den Genfer Wahlen hervor.
Denn auf linker Seite haben die Linksaussen-Parteien es verpasst, wieder in den Grossen Rat einzuziehen. Damit bleiben noch SP und Grüne. Die SP gewinnt zwar einen Sitz, und die Grünen halten ihr Niveau. Insgesamt profitiert Rot-Grün aber wenig vom Niedergang der Linksaussen-Parteien. SP und Grüne sind im neuen Grossen Rat deutlich in der Minderheit. Bei den Grünen zeigt sich – wie bei den letzten Wahlen in anderen Kantonen –, dass sie ihren Zenit wohl überschritten haben. Die Grünliberalen haben den Einzug ins Parlament erneut verpasst.
Regierungsarbeit wird schwieriger
Das Resultat der Parlamentswahl stellt die Regierungsmehrheit von SP und Grünen infrage. Ihre vier Kandidatinnen und Kandidaten befinden sich zwar alle unter den ersten sieben. Sie haben aber davon profitiert, dass das bürgerliche Lager zersplittert ins Rennen für den ersten Wahlgang gezogen ist.
Kommt für den zweiten Wahlgang eine Allianz zustande, dann könnte auch die Regierung wieder zurück nach rechts kippen. Das könnte auch Pierre Maudet noch zum Verhängnis werden. Denn es ist offen, ob er und seine neue Bewegung in einer bürgerlichen Allianz akzeptiert würde. Im zweiten Wahlgang sind also noch grosse Verschiebungen möglich.
Unabhängig davon dürfte es nicht einfacher werden, in Genf zu regieren. Denn mit dem Resultat der Parlamentswahlen sind die Sitze im bürgerlichen Lager auf noch mehr Parteien aufgeteilt. In der neuen Regierung würde Maudet zudem auf drei Bisherige treffen, die er in Bezug auf seine Reise nach Abu Dhabi angelogen hatte. Diese Protestwahl dürfte der Genfer Politik noch Kopfzerbrechen bereiten.