Für Hunderte Schülerinnen und Schüler der Kantonsschule Wiedikon in Zürich beginnt der erste Schultag mit einem Fassadenwechsel. Sie beziehen wegen Sanierungsarbeiten neue Schulräume ganz in der Nähe des Zürcher Bahnhofs Hardbrücke in der Innenstadt. 15 Klassen starten dieses Jahr, dereinst sollen über 600 Schülerinnen dort unterrichtet werden.
Das Provisorium Hohlstrasse wurde in Rekordzeit gebaut. Die nachhaltigen Holzmodulbauten wurden in 14 Monaten errichtet und sie können später auch an anderen Standorten zum Einsatz kommen.
Das Areal des ehemaligen Güterbahnhofs dient der Kantonsschule Wiedikon als eine Art «Filiale», was allerdings auch mit Nachteilen verbunden ist. So dürfte es für die Verantwortlichen logistisch und administrativ nicht einfach sein, zwei Standorte zu führen. Zudem müssen viele Schülerinnen und Schüler in einer Übergangsphase tageweise auch zwischen den beiden Standorten hin- und herpendeln.
Provisorien, mehrere Standorte und Nomadenklassen
Nicht nur aufgrund dieser sogenannten «Nomadenklassen» präsentiert sich die Schulraumsituation im Kanton Zürich angespannt. Viele Gymi-Schülerinnen und Schüler sind in Provisorien untergebracht, Kantonsschulen müssen auf zusätzliche Räume an anderen Standorten ausweichen.
So ist die Kantonsschule Zürich Nord zum Beispiel auf den Campus Irchel der Universität Zürich gezogen, weitere werden folgen. Die Kantonsschule Hottingen unterrichtet auch in Oerlikon und in Uetikon am See sind Schüler bereits seit Jahren in provisorischen Räumen untergebracht.
Provisorien so weit das Auge reicht
Doch nicht nur in Zürich ist der Druck auf die Kantonsschulen enorm. Im Fricktal nimmt der Kanton Baselland ab nächstem Schuljahr keine Aargauer Schüler mehr auf. In Stein AG entsteht deshalb für über 60 Millionen Franken ein Neubau. Bis dieser fertig gebaut ist, müssen die Schülerinnen mit einem Provisorium vorliebnehmen.
Auch in Bern kommt es zu Standort-Rochaden. Der Kanton saniert für 75 Millionen Franken die in die Jahre gekommene Schänzlihalde in der Stadt. Nach drei Jahren Sanierung wird das Gebäude als Ersatzstandort für die Gymnasien Kirchenfeld und Neufeld dienen, die ihrerseits saniert werden.
In der Ostschweiz werden die Schülerinnen an der Kanti Frauenfeld aktuell in Provisorien unterrichtet. Und in der Zentralschweiz ist die Kantonsschule Rotkreuz erst 2031 bezugsbereit. Deshalb ist das Industrieareal Suurstoffi ab nächstem Schuljahr für Hunderte Schüler das neue Lernumfeld.
Das Provisorium als Experimentierraum
«Wir sind in einer Umbruchphase», sagt auch die Zürcher Bildungsdirektorin Silvia Steiner. Zum einen würden die Schülerzahlen stetig steigen: Alleine bis 2031 rechnet der Kanton mit rund 3000 zusätzlichen Gymi-Schülerinnen. Und zum anderen stelle sich momentan generell die Frage, wie Mittelschulen in Zukunft aussehen sollen.
Wir sind in einer Umbruchphase.
Und genau hier sieht Steiner Vorteile. «Provisorien bieten eine gute Möglichkeit, um pädagogische Konzepte zu erproben», sagt sie. So könnten Verantwortliche eruieren, wie Räume entwickelt und konzipiert werden müssen, um schulische Bedürfnisse besser zu erfüllen. Und auch deshalb schliesst Steiner nicht aus, dass Provisorien wie etwa dieses an der Zürcher Hohlstrasse zu Providurien, also zu langfristigen Lösungen, werden könnten.