Das Wichtigste in Kürze
- Bei den letzten 20 neu gewählten Bundesräten wurden mehrheitlich die Favoriten der ersten Stunde berücksichtigt.
- Auch wenn es länger dauerte bis zur Wahl, schadete das den Kronfavoriten nicht.
- Dies belegt eine detaillierte Auswertung der Wahlen in den letzten drei Jahrzehnten.
«Wer als Papst ins Konklave geht, kommt als Kardinal wieder raus» lautet eine alte römische Volksweisheit. Dieser Spruch ist auch unter der Bundeshauskuppel oft zu hören, wenn Parlamentarier auf die Wahlchancen von FDP-Kronfavoritin Karin Keller-Sutter angesprochen werden. Doch die Fakten ergeben ein anderes Bild: die Kronfavoriten für den Bundesrat haben mehrheitlich hohe Wahlchancen. Das zeigt eine detaillierte Auswertung seit 1987 durch die SRF-Bundeshausredaktion.
SVP-Kandidaten haben schlechtere Chancen
Die Kronfavoriten seien häufig gut vernetzte Parlamentarier mit einer langen Erfahrung, kommt Politologe Adrian Vatter von der Uni Bern zum Schluss. «Die können sich auch die nötigen Stimmen bei der Wahl sichern.» Es falle aber auf, dass die SVP-Kronfavoriten die tiefsten Wahlchancen hätten, «insbesondere, wenn es sich um Hardliner handelt». Bei den anderen Parteien würden sich die Kronfavoriten aber in drei Viertel der Fälle durchsetzen.
Nicht in der Auflistung enthalten sind die gescheiterten Wiederwahlen der amtierenden Ruth Metzler 2003 und Christoph Blocher 2007. Francis Matthey hatte die Wahl 1993 abgelehnt.
Auch langer «Wahlkampf» schadet nicht
Was heisst das nun für Karin Keller-Sutter, Kronfavoritin für den frei werdenden FDP-Bundesratssitz? Nachdem der Ausserhoder FDP-Ständerat Andrea Caroni am Dienstag seinen Verzicht auf eine Kandidatur bekannt gegeben hat, ist aus der Ostschweiz keine grosse Konkurrenz mehr in Sicht. Allerdings: Die Bundesrats-Ersatzwahlen sind erst in zwei Monaten.
Wer zu früh die Favoriten-Rolle inne hat, sei absturzgefährdet, heisst es immer wieder. «Die Auswertung zeigt, dass auch ein langer ‹Wahlkampf› nicht schadet», stellt Politologe Adrian Vatter fest. «Die Parlamentarier können sich besser informieren über die Favoritin. Und die Favoriten können sich besser vernetzen.»
Kronfavoriten hatten schon immer die Nase vorn
Übrigens ist es auch nicht so, dass es Favoriten heute schwerer hätten, gewählt zu werden. «Über die letzten 30 Jahre haben sich die Kronfavoriten in der Regel durchgesetzt», bilanziert Politologe Vatter.