Etwa 400 Personen sind im Kanton Zürich derzeit von Wahlen und Abstimmungen ausgeschlossen. So lautet die Schätzung des Regierungsrats, wie er in einer Mitteilung schreibt. Es sind Menschen, die unter umfassender Beistandschaft stehen, zum Beispiel wegen einer geistigen Beeinträchtigung.
Wir wollen, dass Menschen gleichbehandelt werden.
Ihnen will die Zürcher Regierung nun das Abstimmen und Wählen ermöglichen – sowohl in den Gemeinden als auch im Kanton. Die Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr sagt: «Wir wollen, dass Menschen gleichbehandelt werden.»
Die Hürden für die politische Beteiligung sollen tief liegen. Es sei ausserdem nicht gesichert, dass sich die Menschen mit einem Beistand kein Urteil über Vorlagen bilden könnten.
Regierung geht einen Schritt weiter
Der Regierungsrat beantragt dem Kantonsparlament eine Anpassung der Kantonsverfassung und des Gesetzes über die politischen Rechte. Es ist ein Gegenvorschlag zur Behördeninitiative der Stadt Zürich. Die Kantonsregierung geht indes einen Schritt weiter. Denn die Initiative sah vor, dass die Zürcher Gemeinden den Ausschluss vom Stimmrecht hätten aufheben können.
Somit könnte jede Gemeinde einzeln entscheiden, und bei kantonalen Vorlagen dürften die Betroffenen weiterhin nicht abstimmen. «Der Regierungsrat will aber keinen Flickenteppich im Kanton», sagt Fehr. In Zürich sollen künftig alle Menschen mit Beistandschaft mitbestimmen dürfen. Deshalb schlägt die Kantonsregierung eine einheitliche Lösung vor.
Sollte das Parlament den Gegenvorschlag annehmen, käme der Kanton einer zentralen Forderung der UNO-Behindertenrechtskonvention nach. Diese verlangt, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt am politischen und öffentlichen Leben teilnehmen können.
Wir begrüssen sehr, dass der Kanton Zürich eine Vorreiterrolle übernimmt.
Pro Infirmis, eine Organisation für beeinträchtigte Menschen, freut sich über den Vorschlag des Zürcher Regierungsrats. Rahel Weil, die bei der kantonalen Geschäftsstelle für Kommunikation und Sozialpolitik zuständig ist, sagt: «Wir begrüssen sehr, dass der Kanton Zürich eine Vorreiterrolle übernimmt.» Erst wenige Kantone haben das Thema behandelt.
Genf ging voran
Genf war 2022 der erste Kanton, der den Stimmrechtsausschluss für Menschen mit einem Beistand aufgehoben hat. In Appenzell Innerrhoden dürfen diese Menschen seit dem letzten Jahr abstimmen und wählen. In den Kantonen Zug, Zürich und Neuenburg sind entsprechende Änderungen aufgegleist. Und auch auf nationaler Ebene wird das Thema diskutiert.