Heikle Umbuchungen bei Postauto und fragwürdige Abrechnungen im Poststellennetz haben am Lack des gelben Riesen gekratzt. Ist eine Politur noch möglich? Und wenn ja, wie? SRF News hat mit Kommunikations-Experte Marcel Kamm gesprochen.
SRF News: Herr Kamm, wie würden Sie das Image der Post bewerten – vor und nach den jüngsten Enthüllungen?
Marcel Kamm: Die Post gilt traditionsgemäss als zuverlässig und qualitativ hochwertig. Sie war lange ein bisschen ein Nationalheiligtum, das in jedem «Chrachen» der Schweiz präsent war und noch ist. Aber auch das beste Image ist irgendwann zerstört. Wenn die Post jetzt nicht aufpasst, ist sie auf dem besten Weg, die Gunst der Bevölkerung zu verlieren.
VR-Präsident Urs Schwaller ist am Donnerstag für eine Stellungnahme vor die Medien getreten. Wie gut hat er seine Aufgabe gemacht?
Insgesamt hat er seine Aufgabe gut gemeistert. Aus krisenkommunikativer Hinsicht ist zunächst zu begrüssen, dass er sich bei den Kunden und den Mitarbeitern entschuldigt hat. Weiter hat er eine Untersuchung angekündigt und damit Offenheit demonstriert. Und schliesslich hat er, geübt in der Kommunikation, fast ein wenig staatsmännisch gewirkt.
Die Wahrnehmung ist die, dass die Post etwas gemischelt, die Geschäftsleitung etwas gewusst und der Verwaltungsrat den Konzern nicht im Griff hat.
Trotzdem hat sein Auftritt einen etwas zwiespältigen Eindruck hinterlassen. Dass er selbst die Untersuchung leitet, ist höchst fragwürdig. Auch wenn er diese Aufgabe wahrscheinlich ganz seriös macht, bleibt am Schluss doch der Zweifel an der Objektivität des Untersuchungsresultats. Und letztlich sind sowieso nicht die offen gelegten Tatsachen, sondern ist die Wahrnehmung des Betriebs matchentscheidend. Und diese Wahrnehmung ist aktuell die, dass die Post etwas gemischelt, die Geschäftsleitung etwas gewusst und der Verwaltungsrat den Konzern nicht im Griff hat.
Nach den Veröffentlichungen hat die Post Massnahmen getroffen. Sie hat sich entschuldigt, will das Postauto-Geld zurückgeben, gelobt lückenlose Aufklärung des Falls, schiebt variable Lohnanteile der Geschäftleitungs-Mitglieder auf und verzichtet vorerst auf ein Gewinnziel bei Postauto. Reichen diese Massnahmen, um Staat, Kantone, Politiker und Steuerzahler zu besänftigen?
Was Schwaller angekündigt hat, war ein Pflichtprogramm. Es versteht sich von selbst, dass die Angelegenheit aufgeklärt und das Geld zurückgegeben werden muss. Derweil hat Post-Chefin Susanne Ruoff - unabhängig von ihrer operativen Leistung - kommunikative Fehler wie im Schulbuch gemacht: Sie hat mit ihren Stellungnahmen gezögert, sofort eine Abwehrhaltung eingenommen, anderen – bis hin zum CEO – die Schuld gegeben und eine Salami-Taktik verfolgt. Damit hat sie das Vertrauen in ihre Person verspielt. Sie hätte vor diesem Hintergrund zurück- oder wenigstens in den Ausstand treten müssen.
Wenn sie glaubt, dass die Bevölkerung vergisst, irrt sich die Post.
Aber auch die Verwaltungsräte, die in den Jahren der Umbuchungen amtierten, sind in Erklärungsnot geraten. Warum haben sie nichts gemerkt? Es wäre doch ihre Aufgabe, der Geschäftsleitung auf die Finger zu schauen. Diese Antwort bleiben sie schuldig. Auch diese Verwaltungsräte müssten zurücktreten.
Gemessen wird die Post nun aber zweifellos an der von Schwaller in Aussicht gestellten Aufklärung bis Mai. Wenn sie glaubt, dass die Bevölkerung bis dann vergisst, irrt sich die Post. Bis im Mai muss sie liefern.
Kann ein subventionierter Betrieb wie die Post überhaupt wie ein privates Unternehmen an einem ramponierten Image leiden? Ist es nicht so, dass es die Post einfach gibt und niemand an ihr vorbeikommt?
Das Image einer subventionierten Einrichtung kann auf jeden Fall ramponiert sein. Und ein solcher Reputations-Schaden kann auch realwirtschaftliche Konsequenzen haben: In der Paketpost kann der verärgerte Kunde jetzt schon zur Konkurrenz ausweichen. Die vollständige Liberalisierung des Briefverkehrs kann auch noch kommen und dem frustrierten Klienten neue Ausweichsmöglichkeiten eröffnen.
Auch bei der Rekrutierung droht der Post Ungemach. Schlimmstenfalls wollen gute Leute – wie damals bei der Cablecom – nicht mehr für die Post arbeiten. Und vielleicht am schwersten wiegen mögliche politische Konsequenzen. Im Parlament könnten Vorstösse erfolgen, die die Post mit strengeren gesetzlichen Vorgaben belegen und dem Unternehmen die Subventionen kürzen. Der Preisüberwacher fordert von Postauto bereits tiefere Billettpreise. Kurzum: Die Post sitzt im Glashaus. Und wenn sie nicht aufpasst, wird ihr die Handlungsfreiheit genommen. Wenn nicht vom Markt, so doch gewiss von der Politik.
Das Gespräch führte Christine Spiess.