Gross war der Jubel von SP, Grünen und Gewerkschaften am 3. März: Das linke Lager hatte einen historischen Erfolg errungen. Zum ersten Mal sagte das Stimmvolk Ja zu einer Initiative, die den Ausbau der Sozialversicherungen verlangte. Bundesrat, bürgerliche Parteien und Wirtschaftsverbände hingegen machten lange Gesichter: Sie hatten die Initiative sträflich unterschätzt.
Kostendebatte im Vordergrund
Doch in der Folge wendete sich das Blatt: Die Diskussion drehte sich immer stärker um die Kosten der Initiative und um die Finanzierung der 13. AHV-Rente.
In der öffentlichen Debatte wurde das Erstaunen über den Coup der Linken zunehmend überdeckt von den Sorgen um die Bundesfinanzen. Was den Bürgerlichen vor der Abstimmung nicht gelungen war, schafften sie dafür im Nachgang: den Diskurs zu prägen – mit Warnungen vor den leeren Kassen.
Vorsichtiges Stimmvolk
Hatte der Überraschungssieg vom 3. März das linke Lager anfänglich von einem nächsten Grosserfolg bei der nächsten Abstimmung träumen lassen, deutet die jüngste SRG-Umfrage nun darauf hin, dass sich politische Überraschungen selten wiederholen. Dies hat vor allem mit den Kosten der 13. AHV-Rente zu tun.
Traditionellerweise sind die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger zurückhaltend bei Ausbauvorlagen. Am ehesten eine Chance haben teure Projekte, wenn es um Infrastrukturausbauten geht. Aber nun zum zweiten Mal hintereinander den Sozialstaat ausbauen und Milliardenkosten in Kauf nehmen? Nein, doch lieber nicht, könnte sich eine Mehrheit sagen.
Fehlende Breitenwirkung
Zur Prämien-Entlastungs-Initiative zeichnet sich ein Nein ab. In der jüngsten SRG-Umfrage sagen zwar 50 Prozent der Befragten Ja. Aber meistens verlieren Initiativen bis zur Abstimmung an Zustimmung.
Dafür sprechen noch weitere Gründe: So war das Ja zur 13. AHV-Rente möglich, weil die Initiative Stimmende über das linke Lager hinaus inspirierte. Schliesslich profitieren im Laufe ihres Lebens alle von einer zusätzlichen Rente. Die Prämien-Entlastungs-Initiative erreicht dagegen nicht die gleiche Breitenwirkung. Der Kreis jener, die profitieren, ist viel kleiner.
Alternative zur Initiative
Und im Unterschied zur 13. AHV-Rente haben die bürgerlichen Parteien die Prämien-Entlastungs-Initiative nicht unterschätzt, sondern ihr eine Gegenmassnahme gegenübergestellt: Wird die Initiative abgelehnt, tritt ein indirekter Gegenvorschlag in Kraft.
Dieser verpflichtet die Kantone, mehr Prämienverbilligungen zu bezahlen – den Initiantinnen und Initianten nach zu wenig. Gemäss Schätzungen des Bundes machen sie etwa 360 Millionen Franken im Jahr aus. Doch mit dem Gegenvorschlag können die Gegner der Initiative zeigen: Wir haben das Problem erkannt und tun auch etwas dagegen.
Innerhelvetisches Misstrauen
Ein letzter Aspekt ist, dass die Kantone unterschiedlich von einer Annahme betroffen wären. Jene, die tiefere Gesundheitskosten haben, vor allem ländliche Deutschschweizer Kantone, wären stärker betroffen als die Kantone mit hohen Kosten – insbesondere die Westschweizer Kantone. Dadurch sinkt in Teilen der Deutschschweiz die Begeisterung für die SP-Initiative.
Prognosen sind immer schwierig. Vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. So das Bonmot von Winston Churchill. Vielleicht kommt es am 9. Juni auch anders. Doch die Zeichen deuten auf ein Nein zur Prämien-Entlastungs-Initiative an der Urne. Das linke Lager müsste dann erkennen, dass in der Sozialpolitik auch nach dem Ja zur 13. AHV-Rente die Bäume nicht in den Himmel wachsen.