Der Ständerat hat am Mittwoch entschieden, weder auf die Prämienentlastungs-Initiative noch den indirekten Gegenvorschlag einzutreten. Das kritisierte die Mitte-Partei. Erstaunlich daran ist, dass es Vertreter der Mitte selber waren, die ein Eintreten des Ständerats auf die Vorlage verhinderten.
Parteipräsident Gerhard Pfister sagt zwar, er sei über gewisse Parteikollegen im Ständerat nicht genervt, aber wenn man ihm zuhört, muss man das infrage stellen. «Es schadet der Profilierung der Partei, wenn eine Minderheit von Fraktionsmitgliedern klare Parteipositionen ins Gegenteil verkehrt», so Pfister.
Wir haben bei den hohen Kosten im Gesundheitswesen definitiv Handlungsbedarf.
Und dabei hat ausgerechnet ein Parteikollege Pfisters, der St. Galler Ständerat Benedikt Würth, den Antrag gestellt, dass der Ständerat erst gar nicht auf die Initiative und den Gegenvorschlag dazu eintreten soll. «Wenn man auf eine Vorlage nicht eintritt, heisst das eben, man sieht keinen Handlungsbedarf und das sieht die Partei definitiv anders. Wir haben bei den hohen Kosten im Gesundheitswesen definitiv Handlungsbedarf.»
Tatsächlich sieht sich die Mitte als Partei des Mittelstandes, die auch auf die Kaufkraft der Menschen achtet, da spielen die Krankenkassenprämien eine wichtige Rolle. Es geht also um ein Kernthema der Mitte.
Die Diskussion im Parlament gestern drehte sich um den Gegenvorschlag zur Prämienentlastungs-Initiative. Mit diesem würde der Bund den Kantonen Vorschriften machen zur Prämienentlastung. Doch Benedikt Würth will davon nichts wissen und setzte sich durch.
Wenn sie schlussendlich als Bund den Kantonen nicht mehr vertrauen, dann sind wir auf einem schwierigen Weg.
Ein Fehler, gegen die Interessen seiner Partei? «Aus meiner Sicht nicht», so Würth. «Es ist aus meiner Sicht auch nicht primär eine parteipolitische Frage, sondern das ist eine Frage des Verhältnisses zwischen Bund und Kantonen. Wollen wir ernsthaft als Bundesgesetzgeber, den Kantonen vorschreiben, wie viel Geld sie in einem Bereich ausgeben wollen oder nicht? Als Ständerätinnen und Ständeräte haben wir hier vielleicht eine andere Sensibilität und auch eine andere Verantwortung wahrzunehmen.»
Würth, der Standesvertreter, verteidigt die Interessen der Kantone, die sich vom Bund nicht drein reden lassen wollen: «Wenn sie schlussendlich als Bund den Kantonen nicht mehr vertrauen, dann sind wir auf einem schwierigen Weg, dann müssen wir uns grundsätzlich hinterfragen.»
Prämienverbilligungen – grosse kantonale Unterschiede
Das Problem ist, dass die Unterschiede zwischen den Kantonen sehr gross sind. Manche sind bei den Prämienverbilligungen grosszügig, andere knausrig. Darauf wies gestern auch Bundesrat Alain Berset hin. Deshalb die Idee, dass der Bund den Kantonen Vorschriften machen soll. Doch der Ständerat will davon nichts wissen. Die Mitte gab den Ausschlag, gegen den Willen der Parteileitung.
Es gibt Fälle, wo man geschlossen ist und Fälle, wo man aus verschiedenen Gründen auch auseinanderdriftet.
Der Gruppenchef der Mitte im Ständerat ist Pirmin Bischof. Hat er seine Leute nicht im Griff? «Ja, das kann es geben, das ist nicht so aussergewöhnlich», so Bischof. «Es gibt Fälle, wo man geschlossen ist und Fälle, wo man aus verschiedenen Gründen auch auseinanderdriftet.»
Ist das einfach mit dem Rollenverständnis der Standesvertreter zu erklären? Im vertraulichen Gespräch hört man auch die Vermutung, dass es in der Ständeratsgruppe der Mitte Machtkämpfe gebe und gewisse Personen mit Bundesratsambitionen sich profilieren wollten. «Damit hat ein Gruppenchef auch zu leben, das gehört zum politischen Geschäft und ist absolut zulässig», sagt Bischof.
Das Problem ist, um es mit Pfister zu sagen, dass die Mitte kein Profil entwickelt, wenn sich National- und Ständeräte widersprechen – und im Parlament verliert die Partei so ihre Gestaltungsmacht.