Eigentlich entscheiden die SP-Delegierten erst im Oktober über die Nachfolge ihres langjährigen Parteipräsidenten Christian Levrat. Doch bereits heute ist ein bedeutender Vorentscheid gefallen und möglicherweise sind die Würfel sogar schon ganz gefallen: Für Mattea Meyer und Cédric Wermuth rückt das Präsidium in Griffweite.
Meyer/Wermuth im Vorteil
Zwar geht im August nochmals ein Partei-internes Bewerbungsfenster für neue Kandidaturen auf. Möglich, dass es weitere Kandidaturen gibt, die in SP-Kreisen aber schon jetzt als ziemlich chancenlos beurteilt werden.
Denn das junge, urbane, aber auch polarisierende Duo Meyer/Wermuth war von Anfang an in der Pole Position. Die beiden stehen für den Wandel der SP in den letzten Jahren und vertreten die bedeutendste Wählerschicht der neuen SP – ein links-intellektuelles, urbanes Publikum, das mit dem klassischen Arbeitermilieu kaum mehr Berührungspunkte hat.
Die Zürcherin Priska Seiler Graf und der Unterwalliser Matthias Reynard positionierten sich zwar geschickt als breiter wählbare Alternative zum Duo Meyer/Wermuth. Sie, die Pragmatikerin, die man gerne im liberalen Flügel sieht, die aber eigentlich ziemlich genau in der Mitte der SP politisiert. Er, der junge Gewerkschafter und Romand. Die Westschweizer Stimmen wären ihnen sicher gewesen.
Linksliberaler Flügel in der Minderheit
Seiler Graf suchte in den letzten Tagen intensiv nach einem neuen Partner oder einer Partnerin, da sich Reynards Verzicht abzeichnete. Aber einen zweiten Reynard gab es einfach nicht. Diese scheinbar perfekte Paarung liess sich nicht einfach kopieren. Und Seiler Graf war sich sehr bewusst, dass sie alleine kaum Wahlchancen gehabt hätte gegen das Favoriten-Duo Meyer/Wermuth.
Zwar bedauern linksliberale Vertreter, dass es nun keine Kandidatur aus der Mitte der Partei gibt. So gebe es keine echte Auswahl mehr. Doch schaut man sich die SP-Bundeshausfraktion genauer an, so muss man feststellen, dass sich die linksliberalen Kräfte an einer Hand abzählen lassen.
Die SP im Parlament wurde in den letzten Jahren linker und urbaner. Das Duo Meyer/Wermuth repräsentiert die SP auf nationaler Ebene wohl besser als Seiler Graf und Reynard. Diesem Duo wurde zwar mehr Brückenbauer-Qualitäten attestiert. Bei den wenigen öffentlichen Auftritten, die es vor Ausbruch der Coronakrise noch gab, wirkte aber besonders der junge Reynard fast etwas altmodisch.
Pointiert linker Kurs erfolgversprechend
Die SP gehört zu den Verlierern der nationalen Wahlen im vergangenen Herbst. Ihr ist es kaum gelungen, mit ihrer Klimapolitik zwischen Grünen und Grünliberalen zu punkten. Mit der Coronakrise und länger andauernden wirtschaftlichen Problem dürften zwar soziale Themen wieder wichtiger werden; davon könnte die SP grundsätzlich profitieren. Dennoch reicht die Themenkonjunktur alleine kaum aus, um wieder auf die Erfolgsspur zu finden.
Ein Ausweg für die SP könnte ein pointiert linkeres Programm sein. Die Partei würde unter Meyer/Wermuth wohl wieder öfters anecken, es könnte auch Partei-intern zu mehr Streitigkeiten über den richtigen Kurs kommen. Aber so könnte die SP auch wieder an Ecken und Kanten gewinnen.