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Preisniveau Zu hohe Preise? Einkaufstourismus wieder leicht im Aufschwung

Durch die Pandemie brach der Einkaufstourismus im Ausland ein. Das ändert sich langsam. Immer mehr Menschen fahren für den Einkauf wieder über die Grenze, zeigt ein Besuch im deutschen Bad Säckingen.

Es ist halt schon einiges günstiger.
Autor: Einkaufstouristin

Für viele Einkaufstouristinnen und -touristen ist der Preis ausschlaggebend. «Es ist ehrlich gesagt einer der Hauptgründe. Es ist schon einiges günstiger», sagt eine Schweizer Passantin.

Frau auf Rolltreppe mit grossen Einkaufstaschen
Legende: Ob Wocheneinkauf, Hygieneprodukte oder Kleider shoppen: Das Einkaufszentrum Lago in Konstanz ist eine beliebte Anlaufstelle für Schweizer Einkaufstouristen. Keystone/Gian Ehrenzeller

Auch die Ladenbesitzer merken, dass wieder mehr Menschen aus der Schweiz einkaufen kommen. «Es war eine Durststrecke, die wir natürlich gespürt haben. Aber wir sind glücklich, dass wir fast Vor-Corona-Niveau erreicht haben», sagt Werner Beck, Inhaber Beck-Arkaden.

Zollämter verzeichnen leichten Anstieg

Dass der Einkauf in Deutschland anzieht, zeigen auch die Ausfuhrbestätigungen beim Zoll. Offizielle Zahlen liegen vor Jahresabschluss 2022 zwar noch nicht vor. Dennoch erkennen die Zollämter in Singen und Lörrach einen Anstieg von abgefertigten Ausfuhrscheinen.

Das Zollamt Lörrach bestätigt, dass die aktuellen Ausfuhrscheine von 2022 des vierten Quartals (Oktober bis Dezember) im Vergleich zu 2021 höher sind. Das Vorpandemie-Niveau sei jedoch noch nicht erreicht, sind sich die Zollämter einig.

Beim Preisunterschied ansetzen

«Solange sich die Detail- und Fachhändler gegen angemessene Preise sperren, soll es den Leuten freigestellt sein, dort einzukaufen, wo sie den besten Preis haben», sagt Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS). Denn viele identische Waren kosten für Schweizerinnen und Schweizer deutlich mehr als im Ausland.

Bis zu zehn Prozent Unterschied wäre gerechtfertigt. Alles andere ist Abzocke.
Autor: Sara Stalder Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz

Als Grund werde häufig vorgeschoben, dass vor allem die Arbeitslöhne sowie Mieten und Infrastruktur in der Schweiz viel höher seien. «Aber man hat in verschiedenen Studien gesehen, dass das nicht stimmt», sagt Stalder weiter. Bis zu zehn Prozent Unterschied wäre gerechtfertigt. «Alles andere ist reine Abzocke.»

Problem Einkaufstourismus

Dass die Leute grössere Einkäufe im Ausland tätigen, könne man ihnen nicht verübeln – auch wenn es der Volkswirtschaft schade. «Den Schaden verursacht aber der Detailhandel, der noch zu hohe Margen pflegt», so Stalder.

Der Detailhandel bietet viele Arbeitsplätze.
Autor: Christa Markwalder FDP-Nationalrätin

FDP-Nationalrätin Christa Markwalder ist der Einkaufstourismus ein Dorn im Auge: «Der Detailhandel bietet viele Arbeitsplätze. Jede achte Lehrstelle in der Schweiz ist im Detailhandel zu finden.» Durch den Einkaufstourismus seien diese gefährdet. Die Kaufkraft in der Schweiz sei nach wie vor hoch und die Margen hätten sich ausgedünnt. «Auch dort ist einmal eine Schmerzgrenze erreicht.»

Vorstösse gegen den Einkaufstourismus

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Laut Christa Markwalder seien die Preisunterschiede zum Teil ökonomisch, aber auch politisch erklärbar.

Sie stört sich an der Situation mit der Mehrwertsteuerfreigrenze : Personen, die bis zu 300 Franken im Ausland einkaufen, bezahlen weder im Ausland noch in der Schweiz Mehrwertsteuer. «Das widerspricht der Steuergerechtigkeit.» Dies sei somit eine unfaire Wettbewerbsverzerrung. Entsprechende Vorstösse seien im Parlament überwiesen, aber von Bundesrat und Parlament noch nicht umgesetzt, so die FDP-Nationalrätin.

Die geforderte Beschränkung der Mehrwertsteuererstattung auf Einkäufe bis 50 Franken könnte den stationären Einkaufstourismus im grenznahen Ausland um durchschnittlich rund 30 Prozent reduzieren, hält eine kürzlich erschienene Studie der Universität St. Gallen fest.

Die bürgerlichen Vorstösse, die Einkaufstourismus unattraktiver machen wollen, brächten nichts, solange die Preisunterschiede so gross sind, hält Stalder dagegen. «Das ist nur Symptombekämpfung – darauf ausgerichtet, die hohen Margen in der Schweiz behalten zu wollen.»

Preisdiskriminierung im Internet: Greift das Verbot?

Etwas Hoffnung für einen mittelfristigen Preisausgleich sieht Stalder im veränderten Einkaufsverhalten der Konsumentinnen. Denn vermehrt wird in ausländischen Onlineshops eingekauft.

Geoblocking-Verbot: Gegen Preisdiskriminierung bei Onlineshops

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Eigentlich keine Preisdiskriminierung mehr bei ausländischen Onlineshops erlaubt: Wer bei einem ausländischen Onlineshop etwas bestellen will, wird oft auf die Schweizer Website des Anbieters umgeleitet, auf der die Preise häufig massiv höher sind. Dieses sogenannte Geoblocking ist dank des indirekten Gegenvorschlages zur Fair-Preis-Initiative seit dem 1. Januar 2022 verboten. Konsumentinnen und Konsumenten aus der Schweiz müssten von den ausländischen Onlineshops gleichbehandelt werden wie die Einheimischen – eine Preisdiskriminierung darf nicht sein. Weiterhin muss aber einen Aufpreis, zum Beispiel für den Versand und die Verzollung, bezahlt werden (sogenannte «sachliche Rechtfertigungsgründe»).

Keine Lieferpflicht: Kunden aus der Schweiz müssen auf ausländischen Webseiten zwar bestellen können – die Onlineshops müssen aber keine Lieferung in die Schweiz anbieten. Da diese Lieferpflicht wegfällt, gibt es weiterhin häufig Nachteile für Schweizer Einkäuferinnen. Um die Waren dennoch in die Schweiz liefern zu können, gibt es mittlerweile Anbieter in Grenznähe, die den Versand über die Grenze übernehmen. Solche Anbieter haben durch die Gesetzesänderung nun Rechtssicherheit erhalten und können sich besser etablieren – durch den Aufpreis dieser Dienstleistung werden die ausländischen Produkte aber wieder teurer.

Wofür gilt das Geoblocking-Verbot nicht? Das Geoblocking-Verbot gilt zum Beispiel nicht für Dienstleistungen aus den Bereichen Verkehr, Bankdienstleistungen oder audiovisuelle Dienste.

Seit Januar 2022 müssen Schweizer Konsumenten von ausländischen Shops wegen des sogenannten Geoblocking-Verbots gleichbehandelt werden wie Einheimische – ohne Weiterleitung auf eine Schweizer Seite und Preisdiskriminierung.

Greift das Geoblocking-Verbot bisher?

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«Es hat viel gebracht, besonders im Dienstleistungsbereich », sagt Sara Stalder von der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS). Wenn es zum Beispiel darum gehe, ein Auto zu mieten oder eine Reise zu buchen, seien die Preise gleich . «Es konnten einige Internetseiten mit unterschiedlichen Schweizer Preisen abgemahnt werden.»

Bei anderen Waren gebe es aber teils noch grosse Unterschiede . Denn: Man kann zwar auf der ausländischen Seite bestellen, das Unternehmen muss aber nicht in die Schweiz liefern. So kommen dann Dienstleistungskosten von Grenzpaket-Shops hinzu. «Insgesamt zahlt man aber meist weniger, als wenn man das Produkt auf der Schweizer Seite bezieht.»

Um zu fairen Preisen in der Schweiz zu kommen, müssten die Konsumenten jetzt mithelfen und dort bestellen, wo es die besseren Preise gebe, sagt Stalder.

Stalder glaubt, dass sich die Preise angleichen werden, wenn sich der Onlinehandel als Treiber so weiterentwickle. «Dann kann auch der stationäre Detailhandel nicht mehr länger auf seinen hohen Preisen beharren.»

Einkaufstourismus verliert laut Studie generell an Bedeutung

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Im Langzeitvergleich erledigen Personen aus der Schweiz ihre Einkäufe generell weniger häufig im Ausland . Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Universität St. Gallen – der Trend zeigt bei den Einkäufen in den Geschäften leicht abwärts, trotz deutlicher Erholung nach dem Pandemie-Einbruch. Die Studie hat das Kaufverhalten von Schweizer Einkaufstouristen im grenznahen Ausland in den Sparten Lebensmittel, Drogerie, Bekleidung, Sport und Einrichtung beleuchtet. Der Einkauf in stationären Geschäften im Ausland ist seit 2017 über alle Branchen um mehr als zehn Prozent gesunken.

Im Vergleich zu 2017 kaufen allerdings heute deutlich mehr Konsumenten und Konsumentinnen online ein. 2022 haben rund 42 Prozent online im Ausland eingekauft, 2017 waren es noch 37 Prozent. So legt der Online-Einkaufstourismus um gute 20 Prozent auf 1.45 Mrd. CHF seit 2017 zu. Einkaufshäufigkeit und der Ausgabebetrag pro Person sind gemäss Studie gleichgeblieben.

In vier von fünf Branchen überstieg die Abnahme des stationären Einkaufstourismus jedoch die Zunahme durch den Online-Einkaufstourismus.

Tagesschau, 28.12.2022, 12:45 Uhr

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