Knöpfe, die sich mit tauben Händen nicht schliessen lassen oder Nieten, die ins Gesäss drücken. Details, über die sich die allermeisten beim Shopping keine Gedanken machen, sind für Menschen im Rollstuhl kaufentscheidend. Die Suche nach der passenden Kleidung gestaltet sich für sie daher um einiges aufwändiger.
Kleider fürs Sitzen
Florian Bickel, der seit einem Unfall vor 15 Jahren im Rollstuhl sitzt, kennt das Problem. «Die Kleider sollen schön aussehen, müssen aber funktional sein. Das heisst bei den Hosen zum Beispiel: Genügend lange Reissverschlüsse, damit ich sie selbst anziehen kann.» Da er mit seinen Kriterien in der Schweiz selten fündig werde, müsse er oft im Ausland bestellen.
Kleider können dir helfen, nach dem Unfall das Selbstbewusstsein wieder aufzubauen.
Der 36-Jährige war deshalb mit Begeisterung dabei, als ihn die Schweizer Paraplegiker-Stiftung für die Mitarbeit an einem Modeprojekt anfragte. In Zusammenarbeit mit Studierenden der Schweizerischen Textilfachschule wurde an einer Kleiderlinie für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer getüftelt.
Neben Florian Bickel stand den Studierenden unter anderem auch Nadia Dell'Oro alias Giordi mit Rat zur Seite. Sie sagt, welchen Effekt ein schönes Outfit für sie als Rollstuhlfahrerin hat. «Sie können dir helfen, nach dem Unfall das Selbstbewusstsein wieder aufzubauen. Wenn dir zum Beispiel jemand ein Kompliment zu deinen Hosen macht.» Umso frustrierender sei es, wenn man keine passenden Kleider finde.
Modedesign neu denken
Die Arbeit am Modeprojekt begann vor einem guten Jahr und am vergangenen Montag konnte das Team die fertige Kollektion «Adapt by SPF» an der Mode Suisse in Zürich präsentieren. Florian Bickel selbst rollte als eines von vier Models über den Laufsteg.
Uneingeweihten ist an seinem Outfit – einer modischen Bomberjacke und schlichten, grauen Hosen – wohl nichts Aussergewöhnliches aufgefallen. Der Designer Daniel Kaldis erklärt jedoch, dass einiges anders ist im Vergleich zu herkömmlicher Mode. «Der Reissverschluss der Jacke geht nur bis zur Hälfte auf. Für viele Menschen im Rollstuhl ist es nämlich schwierig, diesen unten wieder einzufädeln.»
In der Schweiz soll kein Student aus einer Designschule kommen, ohne dass er sich mit Paraplegie beschäftigt hat.
Die Hose sei länger und hinten so geschnitten, dass sie einer sitzenden Person perfekt passe. «Und sie hat einen Reissverschluss auf der Seite. So kann man den Urinbeutel entfernen, ohne die Hose ausziehen zu müssen.» Kaldis ist zufrieden mit seiner Arbeit, er habe viel gelernt im vergangenen Jahr. «Ich konnte etwas Spezielles entwickeln, das es noch nicht gibt.»
Seine Kollegin Angelina Bergamin, die auch mitgearbeitet hat, sieht das ähnlich. Sie habe Modedesign neu denken müssen. «Wir haben bis zu diesem Zeitpunkt nie Kleidung für sitzende Personen entworfen.» Sie hätten das schlichtweg nicht gelernt.
Pläne für die Zukunft
Genau dies ist ein Punkt, bei dem die Schweizer Paraplegiker-Stiftung mit ihrem Projekt ansetzen will. Die Vision von Mitinitiant Ulrich Kössl: «In der Schweiz soll kein Student aus einer Designschule kommen, ohne dass er sich mit Paraplegie beschäftigt hat. Egal ob Mode oder Architektur.»
Dies also das langfristige Ziel. Kurzfristig würden die Kleider, die im vergangenen Jahr entstanden sind, weiterentwickelt und schliesslich in Produktion gehen. Künftig sollen laut Kössl weitere solche Kollektionen in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Textilfachschule entstehen.