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Lausanne: Berufungsprozess gegen Polizisten
Aus Rendez-vous vom 01.07.2024. Bild: Keystone/Valentin Flauraud
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Prozess in der Waadt Fall von mutmasslicher Polizeigewalt erneut vor Gericht

Sechs Waadtländer Polizisten müssen sich für den Tod von Mike Ben Peter vor Gericht verantworten. Andreas Stüdli, Westschweiz-Korrespondent, beantwortet die wichtigsten Fragen zum Prozess.

Andreas Stüdli

Westschweiz-Korrespondent

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Andreas Stüdli berichtet seit Juni 2018 für Radio SRF aus der Westschweiz und über das Bundesgericht. Er war zuvor fünfeinhalb Jahre Westschweizkorrespondent der Nachrichtenagentur SDA gewesen.

Was war passiert?

Die Anklageschrift protokolliert den Einsatz vom 28. Februar 2018 auf die Minute genau: Um 22:30 Uhr sieht ein Polizist Mike. Er hält ihn für verdächtig, weil er sich bei einem Auto zu Boden beugt und ein Plastiksäcklein versteckt. Der Polizist hält den grossgewachsenen Nigerianer am Arm fest und ruft Verstärkung. Ab 22:48 Uhr kommen fünf Polizisten hinzu, bringen den Mann in Bauchlage und halten ihn fest. Fünf Minuten später werden Mike Handschellen angelegt. Um 22:56 Uhr hört er auf, sich zu wehren. Die Polizisten finden Kokain-Kügelchen im Mund des Nigerianers. Um 23:02 Uhr trifft die Ambulanz ein, Mike wird ins Unispital Lausanne gebracht. Dort stirbt er am Folgetag um 10:39 Uhr – im Alter von 39 Jahren.

Was wird den Polizisten vorgeworfen?

Sie müssen sich wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht verantworten. Das kann mit einer Freiheitsstrafe von maximal drei Jahren oder einer Geldstrafe sanktioniert werden. Allerdings wurde diese Anklage im erstinstanzlichen Prozess vor dem Bezirksgericht Lausanne vom zuständigen Staatsanwalt Laurent Maye fallen gelassen. Ein unüblicher Schritt, den ein Staatsanwalt nur macht, wenn er selbst von der Unschuld der Angeklagten überzeugt ist. In der Folge hat das Gericht auch alle sechs Polizisten freigesprochen.

Warum hat der erstinstanzliche Prozess so stark die Gemüter bewegt?

Die fallen gelassene Anklage hinterliess einen faden Beigeschmack. Am Ende des ersten Prozesses hatten der Anwalt der Opferfamilie und kritische Beobachter den Eindruck, dass die Staatsanwaltschaft die schweren Vorwürfe der Polizeigewalt nicht mit der letzten Konsequenz aufklären wollte. Die Anklageschrift umfasst nur gerade sechs Seiten und beschreibt die Vorfälle nicht sehr exakt. So ist nicht klar, was, welchem der sechs Polizisten vorgeworfen wird. Auch wurden diese im Verlauf des ganzen Strafverfahrens nur zweimal befragt. Die Anklageschrift wird aber auch im zweiten Prozess vor Kantonsgericht entscheidend bleiben. Das Kantonsgericht kann nur Vorwürfe behandeln, die in der Anklageschrift stehen.

Steintreppe, rechts Steinlöwe auf Sockel, auf Sockel in Rot «Mike» gesprayt.
Legende: Ein «R.I.P. Mike»-Slogan an der Fassade des Justizpalastes Montbenon des Waadtländer Strafgerichtshofs in Lausanne (26. Juni 2023). KEYSTONE / Laurent Gillieron

Was ist vom zweiten Prozess zu erwarten?

Der Anwalt der Familie des Verstorbenen hat zwei Expertisen einholen lassen. Eine davon von Michael Freeman, einem Professor für Rechtsmedizin der Universitäten Maastricht und Oregon, der auch den Tod von George Floyd, einem bekannten Opfer von Polizeigewalt in den USA, mit untersucht hat. Mit diesen Expertisen versuchen sie zu beweisen, dass die Bauchlage mit durch Handschellen festgebundenen Armen auf dem Rücken zum Tod von Mike Ben Peter geführt hat. Die neuen Gutachten werden von der Verteidigung aber zurückgewiesen, wie deren Anwälte gegenüber der Zeitung «24 Heures» klargemacht haben.

Wie geht es weiter?

Für den Prozess vor dem Kantonsgericht sind drei Tage vorgesehen. Das Urteil soll am 8. Juli gesprochen werden. Der Prozess wird von grossen Sicherheitsvorkehrungen begleitet. Nach dem Urteil vor der ersten Instanz hatten die freigesprochenen Polizisten das Gebäude durch den Hinterausgang verlassen müssen, weil Demonstranten der «Black Lives Matter»-Bewegung im Eingangsbereich des Gerichtssaals protestiert hatten. Das dürfte dieses Mal nicht mehr toleriert werden. Besucherinnen und Besucher im Gerichtssaal dürfen auch keine Handys oder andere elektronische Geräte mehr benutzen.

Rendez-vous, 01.07.2024, 12:30 Uhr ; 

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