- In Bellinzona beginnt der Gerichtsprozess gegen zwei extremistische Muslime.
- Ihnen wird vorgeworfen, für das Terrornetzwerk IS Propaganda verbreitet und mehrere Personen für den bewaffneten Kampf in Syrien rekrutiert zu haben.
- Der Hauptangeklagte soll die «salafistische Leitfigur in der Schweiz» sein.
- Der als «Emir von Winterthur» bekannt gewordene Hauptangeklagte hat sich in seiner Befragung reuig gezeigt.
Der heute 34-Jährige gab vor dem Bundesstrafgericht zu, etwa in der Zeit zwischen 2012 und 2014 das Gedankengut der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) geteilt zu haben. Damit habe er jedoch abgeschlossen. Mit den Leuten von damals habe er nichts mehr zu tun. Das sei der grösste Fehler seines Lebens gewesen.
Zu seinen persönlichen Verhältnissen wollte der Angeklagte nichts sagen. Er begründete dies damit, dass er und seine Familie wegen des medialen Echos grosse Probleme gehabt hätten.
2016 wegen Betrugs verurteilt
Aus den dennoch vom vorsitzenden Richter gestellten Fragen ging jedoch hervor, dass der Angeklagte und seine Familie von der Sozialhilfe leben und er Schulden hat. Der 34-Jährige wurde 2016 wegen Betrugs zu einer Geldstrafe verurteilt.
Keine Aussagen wollte der Angeklagte zudem zu seiner zweiten Frau machen, mit welcher er gemäss Gericht nach islamischem Recht verheiratet ist und mit der er eine Tochter hat. Der Angeklagte ist auch offiziell verheiratet. Aus dieser Ehe hat er ebenfalls eine Tochter.
Hielt sich der Angeklagte im IS-Gebiet auf?
Der Prozess vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona, der heute begonnen hat, ist ein bedeutender Prozess gegen extremistische Muslime in der Schweiz. Zwei Männer aus Winterthur sind angeklagt. Sie sollen Propaganda für das Terrornetzwerk Islamischer Staat (IS) betrieben und mehrere Personen für eine Reise in den Dschihad nach Syrien angeworben haben. Der Hauptangeklagte gilt als «salafistische Leitfigur in der Schweiz» – der sogenannte «Emir von Winterthur».
Er war 27 Jahre alt, als er im November 2013 für einen Monat nach Syrien reiste. Laut eigenen Angaben hielt sich der italienisch-schweizerische Doppelbürger nicht im Gebiet des Islamischen Staats auf; die Bundesanwaltschaft sieht dies in ihrer Anklage aber anders.
Ansehen genutzt, um zu rekrutieren
Für sie ist es aufgrund von Fotos, Chatnachrichten und Zeugenaussagen erwiesen, dass der Winterthurer in Syrien für den IS und eine seiner Untergruppen bewaffnete Wachdienste und Kampfeinsätze leistete.
Zurück in Winterthur habe der Angeklagte als Dschihad-Rückkehrer unter radikalen Muslimen besonderes Ansehen genossen. Manche hätten ihn ehrerbietig «Emir» genannt. Dieses Ansehen habe er genutzt, um weitere Männer und Frauen für Dschihad-Reisen nach Syrien und in den Irak zu rekrutieren.
Urteil folgt in ein paar Wochen
Dies habe er zum einen als Schweizer Leiter der umstrittenen Koran-Verteilungsaktion «Lies!» getan, zum anderen über seine Kampfsportschule in Winterthur, in der Muslime aus dem Umfeld der damaligen An'Nur-Moschee trainierten. Unter den Rekrutierten war gemäss der Bundesanwaltschaft auch das minderjährige Geschwisterpaar, das Ende 2014 für ein Jahr zum IS gereist und später deswegen verurteilt worden war.
Welche Strafe die Bundesanwaltschaft fordert, wird sie erst im Laufe des Prozesses bekannt geben. Das Urteil des Bundesstrafgerichts folgt dann in ein paar Wochen.