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Verwarnung durch Kanton: Bei den Psychiatrischen Diensten Aargau gibt es Mängel
Aus Regionaljournal Aargau Solothurn vom 04.07.2024. Bild: SRF
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Psychiatrische Dienste Aargau Jugendlicher stirbt in Psychiatrie – Klinik verwarnt

  • Ein autistischer 18-Jähriger hat sich in der Klinik der Psychiatrischen Dienste (PDAG) selbst verletzt.
  • Er liess sich 2020 mehrfach rückwärts auf den Hinterkopf fallen und starb später im Spital.
  • Das Aufsichtsverfahren des Kantons zeigt nun, dass es bei den PDAG Mängel gibt.
  • Der Kanton hat die Klinik verwarnt.

Das Gesundheitsdepartement verwarnt die PDAG in Windisch AG im Fall eines 18-jährigen Mannes. Dieser habe sich absichtlich mit Stürzen selbst verletzt und ist später bewusstlos aufgefunden worden. Zwei Tage später starb er an einem Schädelhirntrauma.

Klinikstation
Legende: Es gibt Mängel in den Psychiatrischen Diensten des Kantons Aargau. Diese müssen nun behoben werden. Der Kanton hat die Klinik verwarnt. SRF

Das externe Gutachten der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich kommt zum Schluss, dass die Aufsicht der Klinik mangelhaft gewesen sei. Die Klinikverantwortlichen hätten die Stürze bemerkt. Der Jugendliche hätte eine 1:1-Betreuung gebraucht. Zudem hätte man untersuchen sollen, wie die vielen Medikamente miteinander wirken.

Die PDAG habe an diesem Tag das Selbstgefährdungspotenzial falsch eingeschätzt oder die notwendigen Schutzmassnahmen nicht ergriffen, um die Selbstverletzungen zu verhindern. Nun hat die Klinik neun Monate Zeit, um ein Konzept vorzulegen, wie man ähnliche Patientinnen und Patienten schützen will.

Von der Entlastung zum Albtraum?

Die Situation hatte sich gemäss Medienberichten zugespitzt. «Wochenlange Isolation, viele Medikamente, kaum Therapie», titelte die NZZ am Sonntag, die den Fall 2024 aufgearbeitet hat. Als die Schweiz 2020 wegen der Corona-Pandemie in den Lockdown ging, wurde es eng für die Familie. Alle im Homeoffice, Lärm, eine Psychologin rät der Familie, den Sohn in eine Klinik zu bringen.

Menschenrechte verletzt?

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Der Jugendliche mit einer Autismusstörung sei in der Psychiatrischen Klinik in Windisch 30 Tage in ein Isolationszimmer eingesperrt worden. Dies, obwohl in den Berichten der Kinder- und Jugendpsychiatrie klar festgehalten wurde, dass er viele Spaziergänge benötige und einen hohen Bewegungsdrang habe. Das moniert die Organisation humanrights.ch, die den Eltern hilft, den Fall aufzuklären.

«Das Pflegepersonal sieht tagelang zu, wie er sich selbst verletzt. Er wird aber erst ins Spital eingeliefert, als er im Koma liegt», sagt Humanrights.

«Wir möchten die Frage klären, warum es möglich ist, dass man jungen Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung die Freiheit entzieht», wird Humanrights in der NZZ am Sonntag zitiert.

Zu Beginn seien die Psychiatrischen Dienste eine Entlastung für die Familie gewesen, erzählt sie im Artikel. Aber die vielen wechselnden Mitbewohner und die Medikamente hätten dem Sohn zugesetzt. Der Jugendliche entwickelte immer mehr Zwänge. Wegen Platzmangels wurde er von der Kinder- auf die Erwachsenenstation verlegt. Er habe die Klinik nicht einfach so verlassen dürfen; die Besuche seien eingeschränkt worden, sagten die Eltern in der Zeitung.

Klinik will sich in einem Fall wehren

«Der Todesfall des jungen Patienten macht uns tief betroffen», hält die Klinik schriftlich fest. Da die Staatsanwaltschaft in diesem Fall ermittle, könne die PDAG sich zum Fall des 18-Jährigen nicht äussern. Die mehr als 1800 Angestellten der PDAG seien sich aber ihrer Verantwortung gegenüber den Patientinnen und Patienten bewusst. 

Zweiter Fall – Mängel, aber keine Verwarnung

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Legende: Die Klinik der PDAG in Windisch. SRF

Auch die Aufsichtsanzeige einer Patientin mit mehreren Diagnosen hat Konsequenzen. Hier gab der Kanton ein unabhängiges, medizinisches Gutachten in Auftrag. Die Eltern kritisierten Diagnose, Behandlung und Information der Klinik.

Der Gutachter erachtet zwar die von den Eltern dargestellten Vorwürfe gegen die PDAG nach Durchsicht der Akten als widerlegt. Aber es fehle ein Konzept, wie die Klinik das Wissen von therapeutischen Autismusstellen in die Behandlung einbauen kann.

In diesem Fall wird die Klinik nicht verwarnt. Aber die Aufsichtsanzeige wird teilweise gutgeheissen. Die psychiatrische Klinik hat neun Monate Zeit, ein solches Konzept zu erarbeiten.

Mängel in Führung

Der Kanton liess die Prozesse der PDAG zusätzlich zu den Gutachten durch die Firma KPMG durchleuchten. Es zeigte sich, dass an der Klinik für Erwachsenen-Psychiatrie und Psychotherapie organisatorische Mängel und Probleme in der Führungsstruktur vorhanden sind.

Auch zu einem zweiten Fall, zur Patientin mit mehreren Diagnosen, könne man keine Details preisgeben. «Schweigepflicht», sagt die Klinik. Man halte aber fest, dass dort medizinisch keine Verfehlungen festgestellt wurden. Administrativ weiche die Klinik gemäss Untersuchung der KMPG nicht markant vom Branchenstandard ab. Deshalb wolle man sich gegen den Entscheid des kantonalen Gesundheitsdepartements wehren und Beschwerde führen.  

Eine Verwarnung sei eine ernsthafte Folge, heisst es beim Kanton. Er als Aufsichtsbehörde könne verwarnen oder einer Klinik die Bewilligung entziehen. Im Fall des 18-jährigen Jugendlichen habe man eine Verwarnung samt Auflagen ausgesprochen. Die Verwarnung ist noch nicht rechtskräftig.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 4.7.2024, 12:03 Uhr ; 

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