Die Kinder- und Jugendpsychiatrien in der Schweiz schlagen seit geraumer Zeit Alarm: Es gebe zu viele Notfälle, die Wartezeiten seien lang. Von einem Notstand ist gar die Rede. Seit der Coronapandemie und den einschränkenden Massnahmen ist das Problem der psychischen Gesundheit von Kindern akut geworden. Um das Problem anzugehen, sind auch die Schulen gefordert. Dagmar Rösler, die oberste Lehrerin der Schweiz, findet die Schulen dafür gut aufgestellt.
SRF News: Wie sehr ist die Gesundheitsförderung in Schweizer Schulen ein Thema?
Dagmar Rösler: Die Gesundheitsförderung in den Schulen ist an vielen Orten schon Alltag. Viele Schulen befassen sich seit längerer Zeit sowohl mit der physischen als auch mit der psychischen Gesundheit. Schulen sind sich bewusst, dass dies für das Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern sehr wichtig ist.
Die psychische Gesundheit von Jugendlichen oder Kindern ist während der Coronakrise in den Fokus geraten.
Könnte man sagen, das Thema psychische Gesundheit wurde bisher wenig beachtet – oder auch zu wenig beachtet?
Ich würde eher sagen, dass das Thema schon lange in den Schulen Einzug gehalten hat – oder sicher Einzug halten sollte. Es ist aber auch so, dass die psychische Gesundheit von Jugendlichen oder Kindern während der Coronakrise in den Fokus geraten ist und man gemerkt hat, dass es da sicher auch noch Handlungsbedarf gibt. Dies gilt aber nicht für Schulen.
Die Schule muss immer mehr Zwecke erfüllen – auch um die Gesundheit der Schülerinnen und Schüler soll sie sich kümmern. Gehört die Förderung der psychischen Gesundheit der Schülerinnen und Schüler unter dem Strich zu den wichtigsten Aufgaben der Schule?
Psychische Gesundheit ist natürlich Voraussetzung dafür, dass sich Schülerinnen und Schüler in der Schule wohlfühlen und entsprechend auch gut lernen können. Es ist aber eben nicht die alleinige Aufgabe der Schule, dass Kinder und Jugendliche psychisch gesund sind.
Es ist ein Teilbereich der Schule – und die Schule muss sicher zusammen mit Eltern, Schulsozialarbeit und auch schulpsychologischen Diensten dafür sorgen, dass es den Schülerinnen und Schülern möglichst gut geht. Das geht aber nur in guter Zusammenarbeit mit anderen Fachstellen oder Akteurinnen und Akteuren, weil die Schule das alleine nicht stemmen kann. Die Schule hat viele Aufgaben und Bereiche, die sie zu stemmen hat.
Das Bewusstsein in den Schulen, dass das Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern sehr zentral und wichtig ist, das ist ganz bestimmt vorhanden.
Ist man in der Schweiz bei diesem Thema gut aufgestellt?
Ja, aber ich kann natürlich nicht für alle Schulen sprechen. Es gibt sicher solche, die schon auf einer hohen Entwicklungsstufe sind, andere haben eventuell noch viel zu tun. Aber das Bewusstsein in den Schulen, dass das Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern sehr zentral und wichtig ist, das ist ganz bestimmt vorhanden.
Das Gespräch führte Rafael von Matt.