Die Gewerkschaften sprechen von einem «groben Foul» des Aussenministers: Bisher habe man dem Bundesrat vertraut, dass er die flankierenden Massnahmen als rote Linie betrachte und nicht darüber verhandle, hält der Präsident des Gewerkschafts-Dachverbandes Travail.Suisse, SP-Nationalrat Adrian Wüthrich, fest. «Cassis hat dieses Vertrauen zerstört.»
Die Gewerkschaften machen unmissverständlich klar, dass an den bestehenden flankierenden Massnahmen nichts geändert werden darf. Insbesondere die Regel, dass jeder Einsatz von entsandten Arbeiterinnen und Arbeitern aus dem EU-Raum acht Tage vorher angemeldet werden muss, sei sakrosankt, betont die Präsidentin der grössten Schweizer Gewerkschaft Unia, Vania Alleva.
Ohne Acht-Tage-Frist kaum Kontrollen möglich
Dies deshalb, weil diese Regel ein zentrales Instrument sei zur Kontrolle der ausländischen Betriebe, die nur für kurze Arbeiten in die Schweiz kämen. Ohne diese Frist seien keine wirksamen Lohnkontrollen in der Schweiz mehr möglich, erklärt auch Hans Maissen, Vizepräsident der Gewerkschaft syna. Tatsächlich kämen über die Hälfte der europäischen Betriebe, die in der Schweiz Arbeiten ausführten, nur für wenige Tage.
Der Bundesrat muss erklären, wie man das bestehende Schutzniveau weiter halten kann.
In der Frage dieser Acht-Tage-Frist sind sich Arbeitnehmer und -geber für einmal einig. So macht auch der Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes, Valentin Vogt, klar, dass sein Verband zu den Bilateralen Verträgen mit den Massnahmen gegen Lohndumping stehe. «Es ist auch für das Volk wichtig, dass es die flankierenden Massnahmen gibt.»
Auch müsse das heutige Schutzniveau auf jeden Fall beibehalten werden, sagt Vogt. Falls er von den bestehenden Massnahmen abweichen wolle, müsse «der Bundesrat erklären, wie man dieses Schutzniveau weiter halten kann».
Linkes Nein zum Rahmenabkommen?
Für die Gewerkschaften ist klar, dass man ein Rahmenabkommen mit der EU bekämpfen wird, falls an den flankierenden Massnahmen etwas geändert wird. «Wenn der Lohn- und Arbeitsschutz in der Schweiz angetastet wird, können wir einem Rahmenabkommen nicht zustimmen», macht Wüthrich von Travail.Suisse deutlich. Nach der SVP droht also auch die Linke klar mit einem Nein zu einem Rahmenabkommen mit der EU.
Wenn der Lohnschutz angetastet wird, können wir einem Rahmenabkommen nicht zustimmen.
Das sei tatsächliche eine schwierige Ausgangslage, findet Aussenpolitiker Damien Müller. Er ist Ständerat der FDP und Parteikollege von Bundesrat Ignazio Cassis, der ein Entgegenkommen bei den flankierenden Massnahmen gegenüber der EU ins Spiel gebracht hatte. Wenn schon jetzt die Kritik derart gross sei, werde es sehr schwierig, ein solches Paket bei der Bevölkerung durchzubringen.
Sicher scheint: Aussenminister Cassis und der gesamte Bundesrat haben einen schweren Weg vor sich.