Der österreichische Ministerpräsident Sebastian Kurz bezeichnet sich gerne als Freund der Schweiz und wird von vielen Schweizerinnen und Schweizern als solcher gesehen. Umso mehr liess aufhorchen, was er anlässlich seines Schweiz-Besuchs vor gut zwei Wochen mit Blick auf das Rahmenabkommen verlauten liess: «Irgendwann kommt der Moment der Entscheidung», sagte er der NZZ, und «der ist jetzt».
Damit drückte der selbsternannte Freund der Schweiz aus, was längst Konsens ist in der EU-Zentrale in Brüssel und unter den EU-Staaten: Nach viereinhalb beschwerlichen Verhandlungsjahren und 32 Verhandlungsrunden soll sich die Schweiz endlich entscheiden – für oder gegen das Rahmenabkommen. Aus Sicht der EU ist der Verhandlungsspielraum ausgeschöpft, der Text fertig, es gibt nichts mehr zu besprechen. Es gibt nur noch zu entscheiden.
Genau das hat der Bundesrat heute aber, wieder einmal, nicht getan. Er hat nicht wirklich Farbe bekannt, er will erst einmal eine Konsultation durchführen. In einer ersten Stellungnahme sagt die EU-Kommission, sie respektiere den Entscheid des Bundesrats. Die EU macht gute Miene zum – aus ihrer Sicht – bösen Spiel. Vorerst.
Druckmittel Börsenäquivalenz
Der wichtigste Entscheid kommt erst noch. Dabei geht es um die Anerkennung der Schweizer Börse, welche die EU-Kommission erst einmal bis zum 31. Dezember 2018 befristet hat – um Druck auszuüben in den Verhandlungen über das Rahmenabkommen.
Die EU ist in der Zwickmühle. Lässt sie die Börsenanerkennung auslaufen, erhöht sie zwar den Druck auf die Schweiz, gleichzeitig aber vergiftet sie das bilaterale Klima, um das es schon jetzt nicht zum Besten bestellt ist.
Verlängert sie hingegen die Börsenanerkennung unbefristet, wie es die Schweiz wünscht, dann gibt sie ihr wirksamstes Druckmittel aus der Hand.
Am Freitag kursiert hinter den Kulissen in Brüssel ein neuer Vorschlag: Die EU könnte die Börsenanerkennung zunächst um einige Monate verlängern – bis der Bundesrat die Konsultation abgeschlossen und Farbe bekannt hat.
Wie es weiter gehen soll mit der Börsenanerkennung, wird die EU-Kommission von Jean-Claude Juncker kommenden Dienstag beraten. Und am Mittwoch werden dann die 28 Mitgliedsstaaten um ihre Meinung gefragt.
Um freundschaftliche Gefühle wird es dann nicht gehen. Sondern um die Frage, mit welcher Strategie es am ehesten gelingt, ein Rahmenabkommen hinzubekommen, das in der Schweiz – das weiss auch die EU – nicht allzu viele Freunde hat.