Staaten können Unternehmen auf verschiedene Arten unterstützen. Sie können sie subventionieren, Steuererleichterungen gewähren, bei den Sozialabgaben entgegenkommen und so weiter. In der EU ist das grundsätzlich verboten, wobei es Ausnahmen gibt. So etwa bei Unternehmen in Regionen mit einer besonders hohen Arbeitslosigkeit. Pikant ist nun, dass die europäischen Regeln – das Verbot und die Ausnahmen – fast wortwörtlich ins Rahmenabkommen übernommen wurden.
Der Anwalt Simon Hirsbrunner sagt: «Ich bin überrascht und ein bisschen enttäuscht.» So habe es in der öffentlichen Kommunikation bislang immer geheissen, betreffend der staatlichen Beihilfen gehe es im Rahmenabkommen bloss darum, die Grundsätze von der EU zu übernehmen. «Doch jetzt ist das EU-Regelwerk in einer für die Schweiz verbindlichen Weise übernommen worden.»
Bilaterale Abkommenausgenommen – zumindest fast
Von den bereits bestehenden bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU soll nur das Luftverkehrsabkommen unter diese Regeln fallen. Das immerhin ist ein Erfolg für die Schweiz.
Doch die Tatsache, dass für alle künftigen Abkommen die EU-Regeln gelten würden – also beispielsweise für ein Stromabkommen oder ein allenfalls revidiertes Freihandelsabkommen – sei «ein Paradigmenwechsel», sagt Anwalt Hirsbrunner. Schliesslich habe die Schweiz einen viel lockereren Umgang mit der Wirtschaftstätigkeit des Staates als die EU.
Ende der Standortförderung?
Konkret müsste etwa ein Kanton, der ein Unternehmen unterstützen möchte, dies einer neuen Überwachungsbehörde melden, die darüber entscheidet. Das gleiche gälte, wenn das Eidg. Parlament etwa im Energiebereich neue Subventionsregeln schaffen wollte.
Massive Auswirkungen hätte das, wenn auch das Freihandelsabkommen unter das Rahmenabkommen fallen würde. Denn dann wäre auch die Industrieproduktion betroffen, so Hirsbrunner.
Zudem solle ein künftiges Freihandelsabkommen neu auch die Dienstleistungen umfassen. «Dies würde zum Beispiel bedeuten, dass die gesamte kantonale Standortförderung auf dem Prüfstand stehen würde.»
Zu kantonaler Wirtschaftsförderung gehören etwa Steuererleichterungen oder die Abtretung von günstigem Bauland an Unternehmen. Das heisse nicht unbedingt, dass diese verboten wäre, so Hirsbrunner. «Aber das Korsett, das es zu beachten gilt, wäre mit einem Rahmenabkommen sehr viel enger.»
Hirsbrunner fordert den Bundesrat deshalb dazu auf, eine Analyse vorzulegen, von welchen Auswirkungen er ausgehe. Nur so könne eine offene Diskussion über das vorliegende Vertragsergebnis stattfinden.
Schweiz kann Druck der EU nicht standhalten
Eine ähnliche Analyse hatte der Bundesrat im Vorfeld der EWR-Abstimmung 1992 vorgelegt. Damals sah die Landesregierung keine wesentlichen Probleme zwischen europäischem Recht und Schweizer Praxis.
Diese Analyse muss heute allerdings hinterfragt werden: So begründete die EU ihren Angriff auf die Schweizer Unternehmenssteuern stets auch damit, dass diese eine unerlaubte staatliche Beihilfe darstellten. Die Folgen sind bekannt: Die Schweiz ist daran, dem Druck nachzugeben.
Man darf also gespannt sein, von welchen Auswirkungen der Bundesrat heute ausgeht, sollte die Schweiz das Rahmenabkommen mit der EU unterzeichnen.