Der Bundesrat hat beraten, wie es mit dem umstrittenen Rahmenabkommen weitergehen soll. Doch die Landesregierung hüllte sich gestern Mittwoch in Schweigen. Viele Beobachter in Bern und Brüssel rechnen nicht mehr damit, dass sich die Schweiz und die EU nach 7-jährigen Verhandlungen noch finden.
Teilen der Wirtschaft macht das grosse Sorgen; man befürchtet Massnahmen aus Brüssel. Die Schweizer Medizinaltechnik-Branche rechnet bereits ab Mai mit Problemen bei der Zertifizierung von Produkten. Und auch die Maschinenindustrie bereitet sich aufs Schlimmste vor.
Medtech-Branche hat Millionen investiert
Aus der EU-Kommission hiess es am Mittwoch erneut, man werde die sogenannten technischen Handelshemmnisse, eines von fünf Marktzugangsabkommen, nicht mehr anpassen. Weil es keine Fortschritte beim Rahmenabkommen gebe.
Die Medizinaltechnik-Industrie hat sich schon länger auf dieses Szenario vorbereitet. Viele Unternehmen haben eine Niederlassung in der EU gegründet, damit sie ihre Produkte weiter in der EU zertifizieren können.
Es stehen Arbeitsplätze auf dem Spiel.
«Das braucht Zeit und kostet Geld», sagt der Westschweizer Medtech-Unternehmer Frédéric Mani. Laut dem Verband der Medizinaltechnik-Unternehmen hat die Branche schon über 100 Millionen Franken investiert, um Probleme ab Mai zu verhindern, wenn die EU die technischen Handelshemmnisse im Bereich der Medizinalprodukte nicht mehr aufdatieren wird.
Und die Branche rechnet künftig jedes Jahr mit rund 75 Millionen Franken zusätzlichen administrativen Kosten.
Maschinenindustrie rechnet mit Stellenabbau
Doch auch Swissmem, der Verband der Maschinenindustrie, rechnet mit Problemen. Die EU könnte in zwei Jahren die Zertifizierung von Maschinen nicht mehr anerkennen, wenn sie Regelungen in diesem Bereich nicht mehr aktualisiert.
«Die Unternehmen werden im Ausland Zertifizierungen suchen müssen», befürchtet Verbandsdirektor Stefan Brupbacher. «Diese Unternehmen werden sich auch überlegen, ob sie den Zusammenbau der Produkte oder Forschung und Entwicklung in Zukunft nicht lieber im Ausland machen.» Es stünden Arbeitsplätze auf dem Spiel, das schade dem Standort Schweiz.
Im schlimmsten Fall muss die Schweiz zu Gegenmassnahmen greifen.
SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi geht nicht davon aus, dass Arbeitsplätze abgebaut werden. Der Kritiker des Rahmenabkommens findet, der Bundesrat müsse sich mehr wehren gegen Sticheleien der EU: «Die Schweiz muss sich auf den Standpunkt stellen: Es gibt Verträge und die sind einzuhalten». Im schlimmsten Fall müsse die Schweiz zu Gegenmassnahmen greifen, findet Aeschi.
Industrie zählt auf Rahmenabkommen
Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter glaubt nicht, dass die Schweiz ohne Rahmenabkommen auf die weitere Aktualisierung der bilateralen Verträge hoffen kann. Etwa drei Viertel der Exportindustrie könnte betroffen sein, wenn die EU die sogenannten technischen Handelshemmnisse nicht mehr anpasst.
Es könnte in Zukunft auch die Baumaterialbranche oder sogar die Pharmaindustrie treffen. «Das ist der Anfang von fehlenden Abstimmungen mit der EU», befürchtet Schneider-Schneiter. «Das dürfte verheerend sein für den Wirtschaftsstandort Schweiz».
Swissmem und auch andere Verbände von möglicherweise betroffenen Branchen hoffen immer noch, dass der Bundesrat noch eine Lösung findet. Nach der technischen Verhandlungsphase sollen jetzt bald die politischen Gespräche zwischen Bundesrat und der EU-Kommission beginnen.