Die Schweizer Politik ist nicht glücklich über das Klima-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Die Rechtskommission der Ständeräte hat deshalb eine zwei Seiten lange Protesterklärung verfasst. Diese lässt kein gutes Haar am EGMR, seinem Rollenverständnis und seinem Klima-Urteil.
Durch die scharfe Formulierung des Texts haben manche Politikerinnen und Beobachter den Schlusssatz als Aufforderung an den Bundesrat verstanden, er solle das Urteil ignorieren. Die Verantwortlichen insistieren jedoch, das sei nicht so gemeint.
Für Mitte-Ständerätin Andrea Gmür macht es die Sache nicht besser, wenn der Schlusssatz des Texts falsch verstanden werde: «Wenn überall erklärt werden muss, was die Erklärung meint, dann ist sie missverständlich.»
Andere Staaten könnten sich aufgerufen fühlen, überhaupt keine Urteile zu befolgen.
Als Konsequenz hat Gmür eine eigene Version entworfen. Die Kritik am Gericht und seiner weiten Auslegung der Menschenrechtskonvention bleibt die gleiche. Nur der offenbar missverständlichen Schlusssatz, inwiefern die Schweiz dem Klima-Urteil Folge geben solle, fehlt.
Hierbei dürfe es keine Zweifel geben: «Wenn die Schweiz den Anschein erweckt, Urteile nicht befolgen zu wollen, dann könnten andere Staaten sich aufgerufen fühlen, überhaupt keine Urteile zu befolgen.»
Auch Gmürs Textversion sorgt für Kritik. Dem FDP-Ständerat Matthias Michel ist sie zu mild: «Die Aussage, dass die Schweiz mit den Änderungen von Klima- und Umweltschutzgesetzen die Anforderungen aus unserer Sicht erfüllt, will ich in der Erklärung haben.» Als Konsequenz hat Michel einen eigenen Vorschlag eingereicht.
«Keine Sternstunde des Parlaments»
In der Summe wird der Ständerat nun über drei Varianten einer Erklärung abstimmen. Doch es gibt auch Ständeräte aus dem Lager der Grünen und der SP, die von keinem der Papiere viel halten.
Matthias Zopfi erklärt dazu, man neige zähneknirschend zur mildesten Version von Andrea Gmür und führt aus: «Ich bin der Meinung, der Ständerat sollte sich zum Urteil gar nicht erklären. Aber wenn, dann ist die Version von Gmür das kleinere Übel.»
Zopfis Ansicht nach erlebt das Parlament nicht gerade eine Sternstunde: «Wir machen uns hier ein bisschen zum Gericht über ein Gericht. Dieses Feilschen zeigt, dass man sich in eine Situation manövriert hat, die eigentlich keinen Sinn ergibt.»