In Deutschland pilgerten die Menschen Anfang März noch in die Stadien, da war die Schweizer Fussballmeisterschaft schon unterbrochen. Der Bundesrat war eine der ersten Regierungen, die wegen der Corona-Pandemie Grossveranstaltungen mit über 1000 Menschen verboten hatte.
Ein halbes Jahr später ist der Bundesrat wieder schneller als die anderen Länder – ab Oktober sind Grossveranstaltungen möglich, Fussball- und Eishockeystadien können zu zwei Dritteln gefüllt werden. Im Falle des Berner Wankdorfstadions wären das 20'000 Menschen.
Grosser Druck auf den Bundesrat
Der Entscheid des Bundesrats hat etwas Verwegenes. Er fällt in eine Zeit stetig steigender Fallzahlen – sie verdoppeln sich alle vier bis sechs Wochen. Und die wissenschaftliche Taskforce des Bundesrats hat schon von diesem Schritt abgeraten, als die Fallzahlen deutlich tiefer waren. Ist die Landesregierung einfach eingeknickt unter dem Druck von Veranstaltern und Sportligen?
Sicher war der Druck gross. Schweizer Fussballclubs zum Beispiel sind im Vergleich zu grösseren Ligen in viel stärkerem Masse vom Ticketverkauf abhängig. Der Bundesrat ist aber auch beim neusten Öffnungsschritt seiner bisherigen Strategie in der Coronakrise treu geblieben.
Alle tragen eine Verantwortung
Es ist der Weg in der Mitte zwischen einem möglichst kleinen epidemiologischen Risiko und den Bedürfnissen der Menschen nach möglichst viel Normalität und Freiheit. Die Last, hier die richtige Balance zu finden, legt der Bundesrat dabei auf verschiedene Schultern.
Föderalistisch korrekt auf die Kantone: Sie müssen die heute formulierten Regeln anwenden. Sie müssen abwägen, wie viel Publikum aufgrund der aktuellen Situation vor Ort verantwortbar ist. Die Verantwortung lastet aber auch auf den Veranstaltern, die ihre Schutzkonzepte austarieren müssen zwischen wirtschaftlichen Interessen und dem Schutz der Gesundheit.
Und letztlich ganz direkt auf jeder und jedem, den oder die es wieder in die Konzertstadien und Sporthallen zieht. Sie müssen beweisen, dass sie sich auch im Moment grosser Emotionen, beim Rockkonzert oder beim Torjubel, an die Regeln der neuen Normalität halten. Sonst gerät die Schweiz auf ihrem Mittelweg zwischen Beschränkung und Freiheit schnell aus der Balance.