Mit seinen 107 Jahren ist das Erbrecht ein Dinosaurier in der Schweizer Gesetzgebung. Geschrieben wurde es zu einer Zeit, da oft noch mehrere Generationen unter einem Dach lebten, und die Altersvorsorge gerade auf dem Land Familiensache war. Die Worte des Pfarrers – «bis, dass der Tod euch scheidet» – waren quasi Gesetz.
Nun soll das Erbrecht an die neuen Lebensrealitäten angepasst werden. In Zeiten von Patchworkfamilien und hohen Scheidungsraten heisst das mehr Freiheit für den Erblasser und weniger Geld für die Kinder. «Lebensrealitäten und Familienformen haben sich geändert, das ist zuzugeben», meinte der Walliser CVP-Ständerat Beat Rieder.
Viele der Vorschläge waren denn auch unbestritten. Zu reden gab aber der vom Bundesrat vorgeschlagene Unterstützungsanspruch für den Lebenspartner oder die Lebenspartnerin. Heute geht die Person leer aus, wenn der Erblasser keine Regelung getroffen hat. Wenn sie zu Gunsten von Kinderbetreuung oder Pflege auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet hat, droht ihr der Abstieg in die Armut.
Um das zu verhindern, will der Bundesrat das Existenzminimum mit einem Unterstützungsanspruch sichern, sofern die Partner mindestens fünf Jahre zusammengelebt haben. Justizministerin Karin Keller-Sutter sprach von einer «Härtefallregelung».
Der Bundesrat wolle verhindern, dass eine Lebenspartnerin oder ein Lebenspartner in die Sozialhilfe gedrängt werde, ohne aber einen Pflichtteil für faktische Partner zu schaffen, sagte sie. Claude Janiak (SP/BL) nannte den Unterstützungsanspruch eine Minimallösung, um heutigen Realitäten gerecht zu werden.
Beat Rieder (CVP/VS) sprach von einer «Bevormundung des Erblassers». Nach Ansicht von Pirmin Bischof (CVP/SO) ist die Rente unnötig. Mit der Reform werde die Freiheit der Erblasser ausreichend ausgedehnt, um den Lebenspartner oder die Lebenspartnerin unterstützen zu können.
Andere Redner meldeten grundsätzliche Vorbehalte am Konzept des Unterstützungsanspruchs an. So müsste die Rente unter Umständen gegen den Willen des Erblassers ausgerichtet werden, sagte Jositsch.
Rieder wies darauf hin, dass diese sogar einem Unterstützungsanspruch der Nachkommen vorgehen würde. Der Ständerat sprach sich schliesslich mit 28 zu 12 Stimmen gegen den Vorschlag des Bundesrats aus.
«Neue Kampfzonen»
Ebenfalls abgelehnt hat der Ständerat eine Alternative zum Unterstützungsanspruch, die Raphaël Comte (FDP/NE) vorgeschlagen hatte: Zu Gunsten eines faktischen Lebenspartners oder einer Lebenspartnerin sollte der Pflichtteil bis um die Hälfte verringert werden können. Das gleiche sollte zur Erleichterung einer Unternehmensnachfolge gelten.
Mit der grösseren Verfügungsfreiheit könne die Situation im Konkubinat jener der Ehe angenähert werden, sagte Comte. Auch Daniel Jositsch (SP/ZH) zog diese Lösung einer «Zwangsrente» vor. Es gebe keine andere Möglichkeit, auf die Vielfältigkeit der heutigen Lebensformen einzugehen.
Der Ständerat lehnte den Vorschlag jedoch mit 29 zu 14 Stimmen ab. Der politische Schritt zu Lasten der Kinder wäre zu gross, sagte Andrea Caroni (FDP/AR).