Farbige Fahnen, Wanderungen und Kundgebungen – die Initianten der Volksinitiative «Für ein gesundes Klima» (Gletscher-Initiative) haben viel Aufwand betrieben. Nach all dieser Arbeit fällt es ihnen nicht leicht, ihre Volksinitiative zurückzuziehen. Doch sie haben viel erreicht, wahrscheinlich mehr, als mit der Initiative möglich gewesen wäre.
Griffiger Gegenvorschlag
Das Parlament hat vergangene Woche einen griffigen indirekten Gegenvorschlag angenommen, der viele Anliegen der Gletscher-Initiative aufnimmt. «Wir haben jetzt ein wirklich gutes Gesetz, und das ist für uns im Moment die bessere Option», sagt Mitinitiant Marcel Hänggi gegenüber SRF.
Der Vorteil sei, dass das Gesetz rascher in Kraft treten könne, so Hänggi. Eine Initiative könne immer nur eine Verfassungsbestimmung definieren, diese müsse dann in ein Gesetz gegossen werden, was länger dauere.
Das ist ein politischer Erfolg für die Initianten und Initiantinnen, trotz des Rückzugs. Denn das Ziel, netto null CO2-Emissionen bis 2050, eines der Hauptanliegen der Initiative, steht nun auch im neuen Gesetz.
Die Initiative wäre weiter gegangen und hätte fossile Brennstoffe verboten. Das wäre an der Urne wohl kaum mehrheitsfähig gewesen. Im Gesetz stehen dafür konkrete Massnahmen und Fördergelder in Milliardenhöhe zur Erreichung des Netto-null-Ziels. Diese sollen alte Heizungen ersetzen und Innovationen fördern.
Nur jede siebte Initiative erfolgreich
Es zeigt sich also: Der Gegenvorschlag ist für die Initianten eine attraktive Option, weil er im besten Fall nicht nur viele ihrer Ziele aufnimmt, sondern auch schneller in Kraft tritt. Eine Volksinitiative ist immer auch ein Mittel, um ein Thema auf die politische Agenda zu setzen. Macht das Parlament mit, ersparen sich die Initianten im Idealfall einen teuren Abstimmungskampf mit unsicherem Ausgang.
Denn an der Urne haben es Volksinitiativen nach wie vor schwer. Nur jede siebte war in den vergangenen Jahren erfolgreich. Häufiger geworden sind aber Rückzüge, wie im Fall der sogenannten Gletscher-Initiative. Alleine in den letzten zwei Jahren wurden weitere fünf Volksinitiativen wegen eines Gegenvorschlags zurückgezogen. Darunter die Initiative für die Förderung von Organspenden, die Vorlage gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer oder jene für den Vaterschaftsurlaub.
Das ist kein Zufall. Seit 2010 gibt es die Möglichkeit, Initiativen bedingt zurückzuziehen. Das heisst konkret: Die Initiative ist so lange gültig, bis der Gegenvorschlag in Kraft ist. Scheitert der Gegenvorschlag doch noch an der Urne, kann das Initiativkomitee seine Volksinitiative wieder aus der Schublade nehmen.
Abstimmung über Gegenvorschlag wahrscheinlich
Das Risiko für die Initianten hält sich somit in Grenzen. Auch die Gletscher-Initiative wurde nur bedingt zurückgezogen. Denn es ist sehr wahrscheinlich, dass der Gegenvorschlag noch vors Volk kommt. Die SVP hat ein Referendum angekündigt.
Mitinitiant Marcel Hänggi ist aber zuversichtlich: «Alle Zeichen, die Geopolitik und auch das Klima zeigen: Wir müssen weg von den fossilen Energien, wir müssen uns befreien von der Abhängigkeit von Putins Russland.»
Das Gesetz geniesst breite politische Unterstützung und setzt auf Anreize, im Gegensatz zum gescheiterten CO2-Gesetz, das Abgaben beinhaltet hatte. Sollte das Gesetz trotzdem an der Urne scheitern, können die Initianten ihre farbigen Fahnen wieder hervorholen und die Gletscher-Initiative doch noch an die Urne bringen.