Im Windschatten des mutmasslichen millionenschweren Ruag-Korruptionsskandals mit Panzer-Ersatzteilen spielt sich ein zweiter Justizfall ab: Es geht um die Tochterfirma Ruag Aerospace, die in der Nähe von München das Propellerflugzeug Dornier 228 herstellte.
«Ich bin wütend», sagt Harald Robl, CEO von General Atomics Europe (GAE), die Ruag Aerospace 2021 übernommen hatte. Robl wirft Ruag vor, sie habe die Bilanz ihrer Tochterfirma manipuliert und die «Braut schön gemacht», um das Unternehmen verkaufen zu können. Dabei sei er um 40 Millionen Euro geprellt worden.
Letztes Jahr reichte GAE eine Zivilklage gegen Ruag ein. «Unbegründet und haltlos» seien die Vorwürfe, entgegnet Ruag International. Dass die Münchner Staatsanwaltschaft die von Robl zusätzlich eingereichte Strafanzeige gegen ehemalige Ruag-Kaderleute und zwei Wirtschaftsprüfer letzten Monat eingestellt hat, beeindruckt ihn nicht. Er hat Beschwerde eingelegt und zusätzliche Beweismittel in Aussicht gestellt.
Schweizer Staatsunternehmen: «Eigentlich vertrauenswürdig»
Ruag Aerospace war keine schöne Braut: Über 100 Millionen Euro Defizit im letzten Jahrzehnt, sagen Insider. Die Ruag kommentiert das nicht.
Paul Oelofsen, ehemaliger Ruag-Mitarbeiter und heute Abteilungsleiter bei GAE sagt: Er und seine Kollegen hätten den Zustand von Ruag Aerospace geschönt darstellen müssen, damit die Firma übernommen und die 420 Arbeitsplätze gerettet werden konnten. Beim Besuch von Harald Robl hätten sie vorgegeben, dass die anstehenden Flugzeugaufträge in kurzer Zeit erledigt werden könnten. Oelofsen: «Das war weit weg von der Realität.» Die Fertigstellung habe doppelt so lange gedauert.
Harald Robl sagt, das habe er erst nach der Übernahme bemerkt, weil Ruag die genauen Projektdaten im Kaufprozess vorenthalten habe. Ruag International widerspricht: Sie habe den Verkaufsprozess transparent gestaltet und «alle gewünschten und erforderlichen Informationen» offengelegt.
Werthaltig oder Schrott?
Waren Sie im Rückblick naiv, Herr Robl? «Wenn Sie es so beschreiben wollen, ja», sagt der CEO von General Atomics Europe zu «10vor10». Normalerweise aber sei ein Schweizer Staatsunternehmen «ein seriöser Partner, dem man vertraut».
Robl zeigt Fotos von Flugzeugteilen, die, wie er sagt, Schrott sind. In der Jahresbilanz von 2019 habe die Ruag sie dennoch mit 30 bis 50 Prozent ihres Wertes geführt, statt sie auf null abzuschreiben. Die Ruag schreibt: «Alle im Jahresabschluss 2019 als werthaltig ausgewiesenen Flugzeug-Ersatzteile sind tatsächlich werthaltig.»
Keine eigene Sorgfaltspflichtprüfung
Ausschlaggebend für die Übernahme von Ruag Aerospace war der geprüfte Jahresabschluss von 2019, den Ruag auf sein Insistieren hin vorgelegt habe, wie Harald Robl sagt. Von «10vor10» befragte Finanzanalysten bemängeln, dass Robl keine eigene Sorgfaltsprüfung gemacht hat. «Grundsätzlich richtig», räumt Robl ein. Es sei denn, der Verkäufer gebe eine notarielle Garantie für die Richtigkeit seiner Angaben ab.
Die Ruag schreibt: «Die Garantie ist richtig; der Jahresabschluss entspricht den deutschen Vorschriften und wurde von KPMG geprüft und testiert.» Die KPMG halte an ihrem Testat fest. Harald Robls zivilrechtliche Klage auf 40 Millionen Euro Entschädigung wird im Juni vor dem Landgericht München verhandelt.