Der Donut-Loch-Vergleich des US-Botschafters traf die Schweiz in ihrem Selbstverständnis: Unser Land, sicherheitspolitisch einfach ein Nichts? Das Loch im Süssgebäck? So kritisierte Scott Miller, US-Botschafter in Bern, die Schweiz im Frühling 2023. Er prangerte damit vor allem auch die Schweizer Sanktionspolitik gegenüber Russland an. Die Schweiz setze die Sanktionen zu wenig hart durch, es gebe zu viele Schlupflöcher.
Die Kritik ging nicht spurlos vorbei. Das federführende Staatssekretariat für Wirtschaft ernannte einen «Mister Sanktionen» und verstärkte seine Bemühungen, russische Oligarchengelder aufzuspüren. Obwohl die Schweiz entschied, der internationalen Taskforce zur Aufspürung von russischen Vermögen nicht beizutreten, sei man in Washington mittlerweile ganz zufrieden mit Bern, betonten die Verantwortlichen in der Bundesverwaltung noch im Sommer.
Sanktionen gegen Zürcher Anwälte
Es schien, als klinge die Kritik an der Schweiz langsam ab. Doch gestern griff der US-Botschafter in Bern erneut zu scharfen Worten: Er kritisierte die Lücken in der Geldwäschereigesetzgebung, wenn es um Anwälte und Treuhänder geht. Gleichzeitig setzten die US-Behörden zwei Anwälte aus Zürich auf die Sanktionenliste. Die USA werfen den Anwälten vor, russischen Kunden bei der Umgehung von Sanktionen unterstützt zu haben. Ein Anwalt bestritt diese Darstellung heute gegenüber SRF vehement.
Tatsächlich kritisiert auch die Organisation Transparency International seit Jahren die Lücken in der Schweizer Geldwäschereigesetzgebung. Die Schweiz erfülle mittlerweile gängige internationale Standards nicht.
Bürgerliche Anwälte schieben Thema vor sich her
Doch die bürgerliche Mehrheit im Ständerat schiebt das Thema seit Jahren auf die lange Bank. Die Anwälte und Treuhänder gehören zu den besonders einflussreichen Kräften im Parlament, insbesondere in der kleinen Kammer. Bereits der damalige Bundesrat Ueli Maurer wollte Sorgfaltspflichten für Anwälte, Treuhänder und weitere Beratende einführen. Das Parlament versenkte die Gesetzesvorlage.
Nun versucht es die zuständige Bundesrätin Karin Keller-Sutter wieder. Aber die Rechtskommission des Ständerats entschied, das Geschäft aufzuschieben. Die Gesetzgebung führe zu einem grossen bürokratischen Aufwand für alle Anwälte, kritisieren die bürgerlichen Anwälte im Ständerat. Dabei gehe es nur um ganz wenige schwarze Schafe, die heute schon strafrechtlich verfolgt werden können. Angefragte bürgerliche Anwälte im Parlament gaben sich heute unbeeindruckt. Die Kritik der USA sei scheinheilig, meinten sie. Die Vereinigten Staaten würden sich auch nicht an alle Geldwäscherei-Standards halten.
Kein Wendepunkt
Man erinnert sich an den Streit ums Bankgeheimnis und die Lieferung von Steuerdaten. Auch beim Thema Umgehung von Sanktionen handelt die bürgerliche Mehrheit wohl erst dann, wenn es wirklich nicht mehr anders geht. Die neuste Kritik aus den USA ist unangenehm, dürfte aber kaum einen Wendepunkt darstellen.
Der Wind in Washington könnte drehen
Indem die bürgerlichen Ständeräte mit einer schärferen Regulierung noch zuwarten wollen, spekulieren wohl nicht wenige auf einen Regierungswechsel in den USA nächste Woche. Mit einem Präsidenten Trump würde der Druck auf die Schweiz wahrscheinlich wieder nachlassen, die Umgehung von Sanktionen gegenüber Russland schärfer zu kontrollieren.