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Massnahmen gegen Moskau Schweiz übernimmt nicht alle Russland-Sanktionen der EU

Bei der Sorgfaltspflicht von Tochtergesellschaften bleibt die Schweiz inaktiv. Von Links kommt scharfe Kritik, von Rechts Lob für den Bundesrat.

Ein Rohstoffhändler in der Schweiz darf kein russisches Öl kaufen. Hat aber eine Tochtergesellschaft dieses Unternehmens ihren Sitz beispielsweise in Dubai, dann ist das völlig legal. Solche Umgehungen der Sanktionen sorgen für Schlagzeilen.

So hatte Radio SRF im Februar publik gemacht , dass sich in mehreren Fällen der Verdacht erhärtet hat, dass Tochterunternehmen von hiesigen Firmen die Sanktionen umgehen. In einem Fall eröffnete die Bundesanwaltschaft denn auch ein Verfahren .

Zerstörte Gebäude mit Rauchentwicklung.
Legende: Die Sanktionen des Westens haben zum Ziel, dass Russlands Einnahmen aus Öl, Gas und Rohstoffen weniger werden, damit es den Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht mehr weiterführen kann. Im Bild: So sieht die schwer umkämpfte ukrainische Stadt Toretsk im Donbass aus. Zerstört von russischen Bomben. Reuters/

Schweiz übernimmt nicht alle Sanktionen

Bisher waren solche Aktivitäten illegal, wenn es in diesen Geschäften Zahlungen oder Anweisungen aus der Schweiz gab. Wenn aber am Ende nur der Gewinn in die Schweiz fliesst, dann sieht es anders aus. Genau diese Lücke wollte die EU mit ihrem Sanktionspaket schliessen.

Die Schweiz möchte offensichtlich, dass Schweizer Rohstoffhändler diese Sanktion umgehen können.
Autor: Fabian Molina Nationalrat der SP, Mitglied der aussenpolitischen Kommission

Doch die Schweiz macht bei dieser Sanktion, die im Rahmen des 14. Sanktionspakets der EU gegen Russland ergriffen wird, nicht mit. Das kritisiert SP-Nationalrat Fabian Molina scharf: «Die Schweiz möchte offensichtlich weiterhin, dass Schweizer Rohstoffhändler diese Sanktion umgehen können. Das geht überhaupt nicht.»

Das 14. Sanktionspaket gegen Russland

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Das 14. Paket der EU an Sanktionsmassnahmen gegen Russland war im Juni beschlossen worden, jetzt übernimmt auch die Schweiz die Sanktionen , ausser der erwähnten Sorgfaltspflicht für ausländische Tochterunternehmen von Firmen mit Sitz in der Schweiz.

Neu ist es u.a. politischen Parteien, NGO und Medien verboten, Spenden der russischen Regierung anzunehmen. Damit soll die Einflussnahme Russlands auf die demokratischen Prozesse in der Schweiz begrenzt werden. Mit dem neuen Sanktionspaket werden zudem die Exportbeschränkungen für Güter zur Stärkung von Russlands Industrie, Militär und Technologie weiter verschärft. Die Liste der betroffenen Unternehmen wird um 61 Entitäten ergänzt. Rund die Hälfte von ihnen befinden sich in Drittstaaten und stehen in Verbindung zum russischen Militär.

Weiter wird Banken künftig verboten, Alternativen zu Swift für den Zahlungsverkehr zu verwenden. Auch Einrichtungen, die Krypto-Dienstleistungen anbieten und Transaktionen zur Unterstützung der russischen Rüstungsindustrie ermöglichen, werden verboten. Untersagt werden ausserdem Investitionen in Flüssigerdgas-Projekte in Russland, die sich im Bau befinden. Auch Dienstleistungen in Zusammenhang mit der Weiterverladung von russischem Flüssigerdgas werden nicht mehr erlaubt sein. (sda)

Ganz anders schätzt das der Luzerner SVP-Nationalrat Franz Grüter ein. Er sieht im Entscheid des Bundesrates eine Klärung: «Für die Rohstoffbranche herrschen jetzt klare Verhältnisse.» Die Firmen wüssten nun, dass für ihre Töchter im Ausland die dortigen Gesetze gelten – «und nicht übergeordnetes Schweizer Recht».

Schweizer Sonderzug bei Russland-Sanktionen

Unter den Politikern gibt es grundsätzlich unterschiedliche Haltungen, was die generelle Linie der Schweiz gegenüber Russland angeht.

Zuletzt hatten jene Stimmen Aufwind, welche einen Sonderzug der Schweiz bei den Sanktionen wollen. So hatte der Ständerat in der Herbstsession beschlossen , dass Rechtsberatungen für sanktionierte Personen wieder möglich sein sollen. Gegen den Willen des Bundesrats.

Ich freue mich darüber, dass die Schweiz hier eine eigenständige Position einnimmt.
Autor: Franz Grüter Nationalrat der SVP, Mitglied der aussenpolitischen Kommission

Nun hat der Bundesrat selbst den Entscheid gefällt, die neusten EU-Sanktionen gegen Russland nicht zu übernehmen, was Tochterfirmen angeht. Seiner Ansicht nach sind schon nach geltendem Recht die Mittel da, um Sanktionsumgehungen über Tochtergesellschaften zu verfolgen. Und das tue die Schweiz aktiv.

Seco: viel Aufwand, grosse Unklarheiten

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Von der EU-Bestimmung wären «keinesfalls in erster Linie Rohstofffirmen betroffen», wie das Staatssekretariat für Wirtschaft auf Anfrage von Radio SRF mitteilt. International tätige KMU müssten neue und kostspielige Compliance-Anforderungen für ihre Niederlassungen und Tochtergesellschaften weltweit einführen.

Bezüglich der Rohstoffbranche hält das Seco fest, dass bei diesen Unternehmen «sehr genau hingeschaut wird». Dabei sei entscheidend, dass nachgewiesen werden könne, dass verbotene Handlungen in oder aus der Schweiz heraus erfolgt sind. Mit der neuen EU-Bestimmung würde das Schweizer Recht aber auch ausserhalb des Landes Wirkung entfalten. Wie die Schweiz ihr Recht im Ausland durchsetzen würde, sei völlig unklar, so das Seco.

Der mit der Verfolgung allfälliger Verletzungen verbundene Aufwand liesse sich aus Sicht des Bundesrates angesichts der erheblichen Zweifel der Durchsetzbarkeit nicht rechtfertigen. Eine Übernahme dieser Bestimmung mache aus diesem Grund keinen Sinn, so das Seco.

«Ich freue mich darüber, dass die Schweiz hier eine eigenständige Position einnimmt», sagt denn auch SVP-Nationalrat Grüter.

EU und USA könnten reagieren

Ganz anders Fabian Molina. Er ist überzeugt, dass der Sonderzug der Schweiz negative Auswirkungen auf die Beziehungen zur EU und zu den USA haben wird. Denn diese würden genau hinschauen, was die Schweiz bei den Sanktionen mache.

Die Schweiz wird zur Kriegsprofiteurin.
Autor: Fabian Molina Nationalrat der SP, Mitglied der aussenpolitischen Kommission

Die Schweiz habe im Grundsatz ja beschlossen, die EU-Sanktionen mitzutragen – doch jetzt schere man immer weiter aus, zu Gunsten des Rohstoffhandels und Finanzplatzes. «Die Schweiz wird so zur Kriegsprofiteurin.»

Auch zweieinhalb Jahre nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine wird in der Schweiz also heftig darum gestritten, wie scharf die Sanktionen gegenüber Russland ausfallen sollen.

Krieg in der Ukraine

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Rendez-vous, 17.10.2024, 12:30 Uhr

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