Ein Rohstoffhändler in der Schweiz darf kein russisches Öl kaufen. Hat aber eine Tochtergesellschaft dieses Unternehmens ihren Sitz beispielsweise in Dubai, dann ist das völlig legal. Solche Umgehungen der Sanktionen sorgen für Schlagzeilen.
So hatte Radio SRF im Februar publik gemacht, dass sich in mehreren Fällen der Verdacht erhärtet hat, dass Tochterunternehmen von hiesigen Firmen die Sanktionen umgehen. In einem Fall eröffnete die Bundesanwaltschaft denn auch ein Verfahren.
Schweiz übernimmt nicht alle Sanktionen
Bisher waren solche Aktivitäten illegal, wenn es in diesen Geschäften Zahlungen oder Anweisungen aus der Schweiz gab. Wenn aber am Ende nur der Gewinn in die Schweiz fliesst, dann sieht es anders aus. Genau diese Lücke wollte die EU mit ihrem Sanktionspaket schliessen.
Die Schweiz möchte offensichtlich, dass Schweizer Rohstoffhändler diese Sanktion umgehen können.
Doch die Schweiz macht bei dieser Sanktion, die im Rahmen des 14. Sanktionspakets der EU gegen Russland ergriffen wird, nicht mit. Das kritisiert SP-Nationalrat Fabian Molina scharf: «Die Schweiz möchte offensichtlich weiterhin, dass Schweizer Rohstoffhändler diese Sanktion umgehen können. Das geht überhaupt nicht.»
Ganz anders schätzt das der Luzerner SVP-Nationalrat Franz Grüter ein. Er sieht im Entscheid des Bundesrates eine Klärung: «Für die Rohstoffbranche herrschen jetzt klare Verhältnisse.» Die Firmen wüssten nun, dass für ihre Töchter im Ausland die dortigen Gesetze gelten – «und nicht übergeordnetes Schweizer Recht».
Schweizer Sonderzug bei Russland-Sanktionen
Unter den Politikern gibt es grundsätzlich unterschiedliche Haltungen, was die generelle Linie der Schweiz gegenüber Russland angeht.
Zuletzt hatten jene Stimmen Aufwind, welche einen Sonderzug der Schweiz bei den Sanktionen wollen. So hatte der Ständerat in der Herbstsession beschlossen, dass Rechtsberatungen für sanktionierte Personen wieder möglich sein sollen. Gegen den Willen des Bundesrats.
Ich freue mich darüber, dass die Schweiz hier eine eigenständige Position einnimmt.
Nun hat der Bundesrat selbst den Entscheid gefällt, die neusten EU-Sanktionen gegen Russland nicht zu übernehmen, was Tochterfirmen angeht. Seiner Ansicht nach sind schon nach geltendem Recht die Mittel da, um Sanktionsumgehungen über Tochtergesellschaften zu verfolgen. Und das tue die Schweiz aktiv.
«Ich freue mich darüber, dass die Schweiz hier eine eigenständige Position einnimmt», sagt denn auch SVP-Nationalrat Grüter.
EU und USA könnten reagieren
Ganz anders Fabian Molina. Er ist überzeugt, dass der Sonderzug der Schweiz negative Auswirkungen auf die Beziehungen zur EU und zu den USA haben wird. Denn diese würden genau hinschauen, was die Schweiz bei den Sanktionen mache.
Die Schweiz wird zur Kriegsprofiteurin.
Die Schweiz habe im Grundsatz ja beschlossen, die EU-Sanktionen mitzutragen – doch jetzt schere man immer weiter aus, zu Gunsten des Rohstoffhandels und Finanzplatzes. «Die Schweiz wird so zur Kriegsprofiteurin.»
Auch zweieinhalb Jahre nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine wird in der Schweiz also heftig darum gestritten, wie scharf die Sanktionen gegenüber Russland ausfallen sollen.