Die Schweiz ist ein wichtiger Standort für Rohstofffirmen. Die Russland-Sanktionen aber schränken ihre Geschäfte ein: Im Handel mit russischem Öl und anderen Erdöl-Produkten gelten Preisobergrenzen. Mehrere Unternehmen haben deshalb Geschäfte an Tochterfirmen in Ländern ausgelagert, in denen keine Sanktionen gelten. Ein beliebter Standort sind die Golfstaaten.
Es geht um mutmassliche Sanktionsverstösse eines Schweizer Unternehmens via Tochterunternehmen im Ausland.
Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat seit Monaten mehrere Firmen im Visier, weil sie auf diese Weise mutmasslich die Sanktionen umgehen. In einem Fall übernimmt jetzt auf Antrag des Seco die Bundesanwaltschaft. Sie hat ein Verfahren eingeleitet, genauer: Sie übernimmt das Verfahren vom Seco. Sprecherin Linda von Burg bestätigt die Recherchen von Radio SRF und sagt zum Fall: «Es geht um mutmassliche Sanktionsverstösse eines Schweizer Unternehmens via Tochterunternehmen im Ausland.»
Offenbar besonders schwerer Fall
Der Schritt bedeutet, dass die Bundesanwaltschaft den Fall als besonders schwer beziehungsweise als von besonderer Bedeutung einstuft. Nur wenn das erfüllt ist, kommt laut Embargogesetz die Bundesanwaltschaft zum Zug. Den Verantwortlichen im betroffenen Unternehmen droht eine Höchststrafe von bis zu fünf Jahren Gefängnis. Auch können Erlöse eingezogen werden.
Radio SRF kennt den Namen der betroffenen Rohstofffirma – in ihrem Fall geht es um Geschäfte einer Tochterfirma in Dubai. Diese will ein Verfahren gegen sie nicht bestätigten und lässt ausrichten: Sie sei von der Bundesanwaltschaft nicht kontaktiert worden und habe sich immer an alle Gesetze gehalten.
Es handelt sich um eine Premiere: Es ist der erste bekannte Fall seit dem russischen Angriff auf die Ukraine, bei dem die Bundesanwaltschaft ein Verfahren wegen Sanktionsverstössen übernimmt.
Das Ausweichen zum Beispiel in einen Golfstaat ist nicht per se illegal: Ein Verstoss liegt erst vor, wenn die Rohstoffgeschäfte der Tochterfirma einen bestimmten Bezug zum Standort Schweiz haben. Das kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn die Geschäfte aus der Schweiz heraus gesteuert werden – oder wenn Gewinne aus den Russlandgeschäften an die Mutterfirma fliessen.
Zweiter Fall abgewiesen
Für einen weiteren Verdachtsfall einer anderen Rohstofffirma sieht sich die Bundesanwaltschaft nicht zuständig. Anders als vom Seco beantragt, übernimmt sie den Fall nicht. Die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte des Bundes messen dem Fall keine besondere Bedeutung bei und sehen somit die gesetzlichen Anforderungen als nicht erfüllt an.
«Wir haben auch diesen Fall eingehend auf diese Voraussetzungen hin überprüft – mit dem Resultat, dass sie in diesem Fall nicht zutreffen», sagt Linda von Burg von der Bundesanwaltschaft. Die betroffene Firma ist damit nicht aus dem Schneider: Der Fall geht zurück ans Seco. Auch dieses kann ermitteln und Strafbefehle verfügen. Im Vergleich zur Bundesanwaltschaft aber stehen dem Seco weniger strafprozessuale Möglichkeiten offen sowie weniger technische und personelle Mittel zur Verfügung.