Der Nationalrat diskutiert darüber, ob die Schweiz die EU-Sanktionen gegen Iran übernehmen soll. Der Bundesrat ist dagegen, doch die nationalrätliche aussenpolitische Kommission (APK) unterstützt eine entsprechende Motion. SP-Aussenpolitiker Fabian Molina ist dabei federführend. Im Gespräch erläutert er die Sicht der APK.
SRF News: Der Bundesrat findet, die Sanktionen seien nicht im Interesse der Schweiz. Sind Sie da nicht etwas gar aktivistisch unterwegs?
Fabian Molina: Die Situation in Iran ist dramatisch – seit Beginn der Proteste im September wurden 20'000 Menschen verhaftet, über 500 kamen ums Leben. Die EU unterstützt die Proteste, indem sie Regimevertreter sanktioniert, die für die Niederschlagung der Proteste verantwortlich sind. Die Schweiz steht einmal mehr abseits – das will die AKP ändern.
Die Schweiz hat das Schutzmachtmandat zwischen Iran und den USA inne, im Aussendepartement EDA spricht man vom «Kronjuwel der Schutzmandate». Wollen Sie dieses aufs Spiel setzen?
Nein. Ein Schutzmachtmandat ist keine Vermittlungsfunktion, sondern eher eine Art «Briefträger-Mandat». Das iranische Regime hat überhaupt kein Interesse daran, das Schutzmachtmandat der Schweiz zu beenden, denn es ist der einzige noch offene Kommunikationskanal zu den USA.
Man darf man das Mandat nicht überbewerten und als Ausrede benutzen, um den Schutz der Menschenrechte sowie die Förderung der Demokratie hintenan zu stellen. Beides ist in der Bundesverfassung festgehalten.
In Ihrer Motion steht, der Bundesrat solle auch Massnahmen ergreifen, um die iranische Zivilgesellschaft im Kampf für Frauen- und Menschenrechte zu unterstützen. Was bedeutet das?
Die Schweiz soll den Verfassungsauftrag gemäss Artikel 54 erfüllen. Dieser sieht vor, Demokratie und Menschenrechte weltweit zu fördern. Im Falle Irans ist das nicht ganz einfach, weil die demonstrierenden Menschen dort in einem autoritären System leben. Doch es gibt durchaus Möglichkeiten, diese Menschen aktiv zu unterstützen, das tun auch andere Länder. Auch die Schweiz hätte Mittel und Wege, um beispielsweise entsprechende Organisationen zu unterstützen.
Die Schweiz tut das ja bereits – sie unterstützt Projekte von Unicef oder des UNHCR. Was sollte sie sonst noch tun?
Iran ist kein Schwerpunktland in der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz – das ist sehr bedauerlich, weil Iran eine Regionalmacht ist und damit einen Einfluss auf Frieden und Stabilität in der ganzen Region hat. Deshalb sollte sich die Schweiz engagieren, um den Weg in Richtung Freiheit und Demokratie in Iran zu unterstützen.
Die Schweiz darf die Situation in Iran nicht unterschätzen.
Was derzeit an Protesten in Iran geschieht, ist mit keiner anderen Bewegung in Iran vergleichbar seit der islamischen Revolution 1979. Deshalb darf die Schweiz die Situation nicht unterschätzen.
Iran ist eines der am stärksten sanktionierten Ländern der Welt. Welchen Beitrag sollte da die Schweiz überhaupt noch leisten können?
Die EU hat über 100 Personen und Institutionen auf eine Sanktionsliste gesetzt, doch die Schweiz steht abseits. Die Schweiz hat einen der grössten Finanzplätze der Welt, ist eine Rohstoffdrehscheibe – man kann den Einfluss der Schweiz keineswegs als gering einschätzen. Der Bundesrat sollte also endlich in die Gänge kommen und die Sanktionen der EU übernehmen sowie das Gespräch mit ihr suchen, um zu prüfen, wo er womöglich einen zusätzlichen Hebel hätte.
Das Gespräch führte Sandro della Torre.