Schweizweit sorgt die finanzielle Situation von Spitälern für Gesprächsstoff. Es fehlt an Geld. Das ist auch im Kanton Graubünden so. Beispielsweise gibt es Pläne, das Kantonsspital und das Spital Oberengadin in Samedan zu fusionieren.
Chefarzt auf Hausbesuch
Wie ein gallisches Dorf im römischen Reich gibt es im Kanton jedoch ein Spital, das finanziell gesund ist und lange profitabel gearbeitet hat. In Santa Maria im Val Müstair steht das Center da sandà – auf Deutsch: Gesundheitszentrum.
Es ist das kleinste Spital der Schweiz. Herz des Betriebs ist Chefarzt Theodor von Fellenberg. Ein Allrounder: Als ein Notruf eintrifft, steigt von Fellenberg in sein privates Fahrzeug: «Ich mache Hausbesuche, das gehört bei uns dazu.» Beim Notruf entscheidet der Chefarzt, dass der Mann ins Spital mitkommen soll. Den Transport übernimmt eine Nachbarin.
Die Unzufriedenheit steigt bei der Pflege und den Ärzten.
Das Gesundheitszentrum bietet möglichst viele medizinische Leistungen an: Hausbesuche, Ambulanzeinsätze, Pflegeheim, Hausarztpraxis und Akutspital in einem. Ein Problem: Die Bürokratie habe extrem zugenommen, dies gehe zulasten der Patienten und des Personals.
«Die Unzufriedenheit steigt bei der Pflege und den Ärzten. Wenn wir mehr Personal brauchen, um alles aufzuschreiben, kostet dies mehr. Das ist sicher mitunter ein Grund, warum Spitäler und viele Gesundheitseinrichtungen finanzielle Probleme bekommen», sagt Theodor von Fellenberg.
Der heutige Chefarzt im Val Müstair arbeitete lange in Afrika und lernte, mit einfachsten Mitteln auszukommen. Im Münstertal wird in einem ehemaligen Militärspital aus den 1970er-Jahren immer noch operiert: «Kleinere Sachen. Handchirurgie wie schwellende Finger oder Karpaltunnel, kleine Hauttumore, ein Leistenbruch», erklärt Theodor von Fellenberg.
Das Center da sandà ist die einzige medizinische Anlaufstelle im Val Müstair. Es deckt die Bedürfnisse von 1500 Menschen ab, teils auch aus dem Südtirol. Das Spital hat vier Patientenzimmer, ein Pflegeheim mit 28 Plätzen und verfügt über eine Spitex.
Laut Direktorin Judith Fasser ist das Angebot auf die Region zugeschnitten, sodass es finanziell aufgehe: «Grundsätzlich ist der Betrieb in sich quersubventioniert. Es ist abhängig, welchem Bereich es besser geht. Als Gesamtunternehmen wollen wir möglichst gute Zahlen schreiben, einzelne Bereiche können wir nicht immer stark beeinflussen.»
Die Spitex sei zum Beispiel immer kostendeckend. Momentan komme man gerade so durch, sagt Fasser. Die Herausforderungen machen auch vor dem Winzling in Val Müstair nicht halt. «Die branchenüblichen Löhne, die Qualitätsanforderungen, die wachsen – das gibt einen grossen Kostenschub.»
Architekt als Sanitäter
Neben dem kleinen Leistungsauftrag für die Grundversorgung bietet das Gesundheitszentrum einen Rettungsdienst rund um die Uhr an. Dieser ist personalintensiv und laut der Direktorin defizitär.
In der Nacht oder anderen Randzeiten springen Menschen aus der Region ein. Ein Schreiner ist Transporthelfer, ein Architekt ist gleichzeitig auch Sanitäter. Ein vielleicht einzigartiges Konzept in der Schweiz. Und ein Erfolgsgeheimnis?
Dieses Konzept sei ideal für die kleine Region. «Ob man das kopieren kann? Es gibt ähnliche Konzepte. Und ein solcher Rettungsdienst ist nur wegen der öffentlich-rechtlichen Form des Unternehmens möglich», sagt Fasser. Ein gewichtiger Unterschied zu anderen Spitälern sei die Grösse des Leistungsauftrags.