In der Privatklinik Meiringen wurden 9 Patientinnen behandelt, weil sie angeblich Opfer von Tätern wurden, die sie in Ritualen missbraucht und ihre Gedanken programmiert haben sollen. Das zeigen Recherchen von SRF Investigativ.
Damit sind deutlich mehr Patientinnen von der Verschwörungserzählung an Berner Psychiatrien betroffen, als bisher bekannt war. Denn publik waren bisher 12 Fälle, die sich am Psychiatriezentrum Münsingen ereignet hatten.
Wir waren vorgewarnt, aber dennoch überrascht.
In Meiringen wurden die Patientendossiers der vergangenen 10 Jahre auf Begriffe untersucht, die im Zusammenhang mit der Verschwörungserzählung stehen. Anhängerinnen und Anhänger der Verschwörung sind davon überzeugt, dass es Täter gibt, die die Gedanken von Frauen programmieren und sie fernsteuern können. Also Opfer sind von satanistischen Ritualen oder von Tätern mit Spezialwissen zu Gedankenprogrammierung.
In Auftrag gegeben hat die Untersuchung die bernische Gesundheitsdirektion. Man habe konkrete Hinweise auf die Verbreitung der Verschwörungserzählung an der psychiatrischen Klinik gehabt, heisst es auf Anfrage. «Wir waren also vorgewarnt, aber dennoch etwas überrascht», sagt Mediensprecher Gundekar Giebel. Der Kanton Bern habe reagiert: «Wir verlangen von den Kliniken neue Überwachungsprozesse.» Es gehe darum, sicherzustellen, dass sich die Verschwörungserzählung nicht mehr in Kliniken verbreiten könne, so Giebel weiter.
Bei der Privatklinik Meiringen heisst es, man bedauere, dass die Verschwörungserzählung Fuss fassen konnte. «Jeder Patient, der nicht aufgrund der wissenschaftlichen Leitlinien behandelt wurde, ist einer zu viel», sagt Christian Mikutta. Er leitete als stellvertretender ärztlicher Direktor die Untersuchung in der Privatklinik Meiringen.
Es handle sich bei den betroffenen 9 Patientinnen um Einzelfälle, die aber nie aufgrund der Verschwörungserzählung hätten behandelt werden dürfen. «Bei vier der betroffenen Patienten kam es auch zu einem freiwilligen Schutzaufenthalt in der Klinik.» Das heisst, dass sich die Patientinnen aus Furcht vor den angeblichen Tätern mehrere Wochen in der Klinik aufhielten.
Untersuchung auch an der grössten Psychiatrie im Kanton Bern
«Es handelte sich um eine einzelne Ärztin, die mit diesen Theorien Patienten behandelt hat», so Mikutta. Weiter sei ein Supervisor in diese Behandlungen involviert gewesen. Mit beiden Personen arbeite man nicht mehr zusammen.
Die Privatklinik Meiringen habe zudem weitere Massnahmen ergriffen, damit sich die Verschwörungserzählung nicht mehr ausbreiten könne: «Wir haben beispielsweise innerhalb der Klinik Weiterbildungen gemacht und die Unwissenschaftlichkeit der Verschwörungserzählung aufgezeigt», sagt Christian Mikutta. Weiter habe man bei der Diagnostik Verbesserungen eingeführt und die Therapien neu ausgerichtet.
Die bernische Gesundheitsdirektion gelangte auch an die grösste Psychiatrie im Kanton, die Universitären Psychiatrischen Dienste UPD. Auch sie musste die Patientendossiers der vergangenen zehn Jahre auf die Verschwörungserzählung untersuchen. Laut Gesundheitsdirektion wurden aber keine Fälle entdeckt.
Und die UPD teilt auf Anfrage schriftlich mit, man verfüge unter anderem über ein kontinuierliches Qualitätsmanagement. «Durch diese interne Transparenz wurden die wenigen Fälle, die mit einem entsprechenden Narrativ zugewiesen wurden, jeweils erkannt und geklärt.»
Die beiden Untersuchungen an der UPD und der Privatklinik Meiringen haben eine Vorgeschichte: Im Frühling 2022 deckte das SRF Regionaljournal Bern Freiburg Wallis auf, dass sich die Verschwörungserzählung am Psychiatriezentrum Münsingen verbreitet hatte. Die bernische Gesundheitsdirektion setzte daraufhin einen Experten ein, der 12 Fälle von betroffenen Patientinnen fand und verschiedene Massnahmen empfahl.
In einer ersten Version des Artikels war von 14 Patientinnen die Rede. Diese Zahl hatte die Privatklinik Meiringen gegenüber SRF bestätigt. Nach der Publikation überprüfte die Klinik die Zahlen nochmals und korrigierte sie nach unten.
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