Dunkle Mächte, satanistische Täter und Teufelsbräute: Die Verschwörungserzählung «Satanic Panic» hat sich in der Schweiz ausgebreitet.
Sie hat sich auch in tief religiösen Kreisen festgesetzt. Das zeigen Recherchen von SRF Investigativ. Es gibt evangelikale Christen, die an geheime Zirkel glauben. Diese sollen Frauen sexuell missbrauchen, um dadurch ihre Gedanken zu programmieren und sie fernzusteuern. Für die Existenz solcher Vorgänge gibt es keine Beweise.
Ein Hotspot scheint das Berner Oberland zu sein. Hier arbeiten und leben mehrere Seelsorger, Therapeutinnen und Politiker, die an die Verschwörungserzählung glauben und sie weiterverbreiten.
Manchmal übernehme ich beinahe die Arbeit eines Sozialarbeiters.
Ein Pfarrer war bereit, gegenüber SRF Auskunft zu geben. 30 Jahre lang war Paul Veraguth Pfarrer an der reformierten Kirche Wattenwil. Seit einigen Jahren arbeitet er als Seelsorger und betreut auch angebliche Opfer von satanistischen Tätern. «Ich arbeite mit Gebeten und Gott», umschreibt er seine Art der Betreuung.
Er verstehe sich als eine Art Sozialarbeiter, der die angeblichen Opfer im Alltag begleite und ihnen dabei helfe, von den Tätern loszukommen.
Der Pfarrer erzählt, er habe bisher ein Dutzend Frauen in Obhut genommen. Menschen, die so gläubig sind wie Paul Veraguth, sind davon überzeugt, dass die Welt in Gut und Böse aufgeteilt ist.
Veraguth glaubt daran, dass Menschen Satan dienen, indem sie Frauen in Ritualen missbrauchen und ihre Gedanken programmieren, sie zu «Teufelsbräuten» machen.
Namensänderung wegen Verschwörungserzählung
Beim Pfarrer treffen sich regelmässig angebliche Opfer in einer Selbsthilfegruppe. Seine Beziehungen reichen bis nach Winterthur. Dort arbeitet er mit dem Verein «Cara» zusammen. Dieser schult unter anderem Fachpersonen zum Thema rituelle Gewalt. Auf Anfrage von SRF heisst es, man beantworte derzeit keine Medienanfragen.
Die Seelsorge von Paul Veraguth hat konkrete Folgen: So hat er einer Frau dabei geholfen, ihren Namen zu ändern – weil sie angeblich von satanistischen Tätern verfolgt wurde. Möglich machte dies ein psychiatrisches Gutachten, auf dessen Grundlage die Behörden die Namensänderung bewilligten.
Religiöse Überzeugungen vermischen sich mit Einschätzungen von medizinischen Fachpersonen und der Arbeit von Behörden.
Pfarrer weist Vorwürfe zurück
Fachleute sehen das kritisch: Laut dem forensischen Psychiater Thomas Knecht hilft diese Art der Betreuung wenig. «Es kann wohltuend sein, wenn man sich aus der Eigenverantwortung ein Stück weit entlassen fühlt. Aber es ist nicht das Gleiche wie eine Problemlösung».
Die Verschwörungserzählung diene als eine Art Denkschablone, die bei der Erklärung helfe, warum jemand psychisch leide.
Es gibt keine Täter mit Spezialwissen, die Gedanken kontrollieren können.
Die meisten angeblichen Opfer hätten wohl tatsächlich sexuelle Gewalt erlebt – aber nicht durch Täter, die mit Spezialwissen ihre Gedanken programmieren könnten. «Dafür gibt es keine Beweise. Mir ist in 40 Jahren Tätigkeit niemand begegnet, der über solche Fähigkeiten verfügt», so Knecht.
Deshalb habe die Verschwörungserzählung bei der Betreuung von psychisch kranken Menschen nichts verloren: «Eine Therapie sollte Patientinnen zu Selbstbestimmung hinführen.»
Paul Veraguth weist jeglichen Vorwurf zurück, den Frauen durch die Seelsorge zu schaden. Der Frage, ob er ein Verschwörungsanhänger sei, weicht er aus. Für ihn sei es eine Frage der Weltanschauung, ob man an «finstere Mächte» und deren Wirken glaube oder nicht.
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