Die Verschwörungserzählung rund um satanistische Rituale und Gedankenprogrammierung von Frauen kursierte jahrelang am Psychiatriezentrum Münsingen.
Der Kanton Bern liess die Vorgänge untersuchen, nachdem SRF die Missstände aufgedeckt hatte. Im Expertenbericht ist die Rede von «schädlichen» Therapien und einem «Irrglauben». Die Klinik muss die Mitarbeitenden nachschulen, damit keine solchen Behandlungen mehr stattfinden.
Neuer Verschwörungs-Hotspot in Bern
Nun zeigen Recherchen von SRF Investigativ: Die Fehlbehandlungen gehen offenbar weiter – an einem neuen Ort. Mehrere Personen bestätigen, die Verschwörungserzählung werde am privaten Zentrum für Psychotherapie «Les Toises» in Bern verbreitet.
Ein Insider, der anonym bleiben will, sagt:
Das Zentrum «Les Toises» in Bern ist der neue Hotspot der Verschwörungstheorie. Das Problem hat sich aus dem Psychiatriezentrum Münsingen hierher verlagert.
Zwei Psychologinnen und eine Ärztin, die an die Verschwörungserzählung glauben und angebliche Opfer therapieren, haben kürzlich vom Psychiatriezentrum Münsingen ans Zentrum «Les Toises» gewechselt. Einige ihrer Patientinnen haben sie mitgenommen – darunter auch Frauen, die wegen angeblicher Gedankenprogrammierung bei ihnen in Therapie sind.
Eine dieser Patientinnen sagt gegenüber SRF Investigativ: «Meine Therapeutin war vorher am Psychiatriezentrum in Münsingen. Als sie die Stelle wechselte, hat sie mich gefragt, ob ich mit ihr gehe.»
Die Patientin will anonym bleiben, sie glaubt an die Verschwörungserzählung. Sie habe mehrere Persönlichkeiten und Teile dieser seien satanistischen Tätern hörig. Sie mache, was die Täter befehlen. Und: Sie sei von ihrer Therapeutin abhängig, sie sei die Einzige, der sie vertraue:
Sie fängt mich auf. Ich habe Mühe Menschen zu vertrauen, ich habe das Gefühl, dass jeder ein Täter ist, dass ich nicht sicher bin.
Was sagen Experten zu den Vorgängen? Diese Abhängigkeit von Therapeuten sei typisch für die Verschwörungserzählung rund um rituellen Missbrauch und Gedankenprogrammierung, sagt der bekannte Schweizer Psychiater Frank Urbaniok.
Die Patientinnen würden in ihrer Not der Therapeutin alles glauben:
Die Therapeutinnen erzeugen eine Erinnerung, die es vorher nicht gegeben hat und für die die reale Grundlage fehlt. Das sind klare Behandlungsfehler.
Die Patientinnen würden kränker statt gesünder, so Urbaniok.
Mehrere Personen begingen Suizid
So steht es auch im Untersuchungsbericht des Kantons Bern zum Psychiatriezentrum Münsingen. Laut Recherchen von SRF wurden rund 20 Personen wegen der Verschwörungserzählung behandelt. Drei von ihnen haben sich mittlerweile das Leben genommen, ein Zusammenhang mit der Therapie ist nicht bewiesen. Die Mehrheit der «Überlebenden kämpft nach wie vor um ihre Gesundheit», steht im Bericht weiter.
Auf Anfrage teilt die Gesundheitsdirektion des Kantons Bern mit, dass gegen drei Gesundheitsfachpersonen im Kanton Bern Anzeigen im Zusammenhang mit Therapien wegen Verschwörungserzählung eingegangen seien.
Ob es sich dabei um die Therapeutinnen von «Les Toises» handelt, ist nicht klar. Da Abklärungen laufen, macht der Kanton Bern keine weiteren Angaben.
Psychiatriezentrum weist Vorwürfe zurück
Das Zentrum «Les Toises» widerspricht den Vorwürfen, es gebe keine derartigen Therapien:
«Wir behandeln nicht wegen satanistisch-ritueller Gewalt oder Mind-Control. In einer ambulanten Therapie geht es darum, dass der Patient sein Leben wieder selbst führen und kontrollieren kann», sagt die ärztliche Direktorin Franziska Gamma. Weiter würde man Supervisionen machen, um die Qualität der Behandlung und Therapien sicherzustellen.