Geigen- und Klaviertöne sind am Eingang des Bahnhofs in Bern aus den Lautsprechern zu hören. Die SBB spielt seit Mitte Mai bewusst klassische Töne im Eingangsbereich ab, um Stau zu verhindern.
«Der Ein- und Ausgang ist ein beliebter Treffpunkt», erklärt SBB-Mediensprecher Moritz Weisskopf. Da würden sich Freizeitreisende, Touristen, Pendlerinnen, aber auch Leute zum Feierabendbier treffen – und den Eingang verstopfen.
«Mit dem Pilotversuch wollen wir testen, welchen Einfluss die Musik vor allem auf den Personenfluss hat.» Der Ein- und Ausgang soll möglichst frei bleiben, die Leute sollen weiterlaufen und nicht stehen bleiben. Ein Versuch, den andere Städte kennen.
Die SBB führte bereits vor zehn Jahren einen ähnlichen Versuch im Bahnhof von La Chaux-de-Fonds durch. Damals wollte das Bahnunternehmen vor allem das Sicherheitsgefühl verbessern und ungebetene Gäste vertreiben, die den Eingang besetzten, ohne den Zug nehmen zu wollen. Die Kundschaft habe sich über diese Personen beschwert – in Neuenburger Tageszeitungen war die Rede von Personen aus Randgruppen.
Auch an mehreren Bahnhöfen im Ausland wurde Musik gespielt. Eine Sprecherin der Berliner Verkehrsbetriebe sagte vor zwei Jahren in der Berliner Zeitung, dass Klassik beruhigend wirken könne – so komme man nicht auf dumme Gedanken.
Zudem hätten Erfahrungen aus Städten wie Hamburg, München, Barcelona oder Montreal gezeigt, dass die Dauerbeschallung Drogenhändlern, Obdachlosen oder anderen ungebetenen Gästen derart auf die Nerven geht, dass sie sich lieber woanders aufhalten. Pendlerinnen und Pendler würden sich so sicherer fühlen.
In Bern bereits ruhiger geworden
Auch im Bahnhofseingang in Bern gibt es ungebetene Gäste. Gruppen, die sich direkt am Eingang treffen und laute Musik aus ihren eigenen Boxen hören. «Wenn man draussen sitzt und die laute Musik und das Geschrei hört, ist das unangenehm», erzählt Michelle Flörl, Geschäftsführerin des Florian Caffè & Bar direkt beim Eingang.
Jetzt seien zwar die klassischen Melodien zu hören, allgemein sei es jedoch ruhiger geworden: «Die Leute, die sonst hier waren, spielen keine eigene Musik mehr über ihre Boxen ab.»
Der harte Kern sitzt immer noch in unseren Blumentöpfen.
Bei den Jugendlichen habe sich die Situation entspannt, bestätigt auch Jacqueline Bräuer, Leiterin des Restaurants Tibits direkt gegenüber. Aber: «Der harte Kern sitzt immer noch in unseren Blumentöpfen und wir haben ein grosses Litteringproblem.» Zum Pilotversuch allgemein sagt sie: «Die Mission ist noch nicht ganz erfüllt und hat noch viel Potenzial.»
Test läuft drei Monate
Die SBB betont, der Test richte sich nicht gezielt an eine Personengruppe, sondern möchte das Nadelöhr auflösen. Ob und mit welcher Musik das gelingt, werde bis Mitte August getestet.
Einige Passantinnen und Passanten sagten gegenüber SRF, sie hätten die Musik zum Teil gar nicht wahrgenommen – oder die Musik sei angenehm und beruhigend; es gebe gute Laune und animiere eher zum Bleiben als zum Gehen.
Ob die Leute mit anderer Musik zum Weitergehen animiert werden können, testet die SBB: «Angefangen haben wir nun mit Klassik, Instrumental, mit und ohne Gesang», sagt SBB-Sprecher Moritz Weisskopf. Sie würden sich die Freiheit offenlassen, auch andere Musikrichtungen auszuprobieren. Welche, will er nicht verraten. Nur so viel: «Eher Hintergrundmusik und nicht gerade Heavy Metal.»