Es gibt gewisse Themen in der Politik, über die gefühlt besonders gerne gestritten wird. Parkplätze zum Beispiel, oder Tempo-30-Zonen. Auch wenn es um die Notenpflicht geht, sind leidenschaftliche Debatten vorprogrammiert.
Zeugnisnoten sind im Aargau schon Pflicht
Überspitzt formuliert: Für die politische Linke gehören Noten in der Volksschule jenseits des Zeugnisses auf den Index. Für Politiker rechts der Mitte sind sie ein ebenso elementarer Bestandteil des Schulalltags wie das Klingeln der Pausenglocken oder die Wandtafel; sie möchten die Schulleistungen am liebsten fortwährend benoten.
Über Noten debattierte am Dienstag der Aargauische Grosse Rat. Zur Info: Aktuell müssen alle Zeugnisse im Kanton Noten enthalten. Bei Prüfungen haben die Volksschulen zurzeit die Möglichkeit, auf Noten zu verzichten. Sie können andere Bewertungsmodelle wählen, wie zum Beispiel Smileys oder Hantelsymbole.
Für EDU-Grossrat Martin Bossert sind diese alternativen Bewertungsmodelle jedoch ein Graus. Sie seien weder transparent noch nachvollziehbar, schreibt er in einem Vorstoss.
Darum forderte er in einer Motion, dass Lehrerinnen und Lehrer der Volksschulen verpflichtet werden, ab der 3. Klasse auch zur Bewertung von Prüfungen Noten zu verwenden. Also nicht nur im Zeugnis. Unterstützt wurde Bosserts Anliegen von den Fraktionen der SVP und der FDP.
Die Diskussion im Grossen Rat erfüllte die Erwartungen – und brachte kaum neue Erkenntnisse. «Ich will, dass wir eine Notenpflicht haben, ich verstehe das Problem nicht, dass Sie mit dieser Motion haben», sagte etwa Janine Glarner, FDP.
«Mal Smileys, mal Farben, mal Noten»
Motionär Martin Bossert erklärte: «Die Eltern und die Schüler verstehen nicht mehr, was gilt. Weil da mal Smileys kommen, da mal Noten und dort mal Farben.» Und: «Wo soll sich denn die Politik überhaupt einmischen, wenn nicht in der Schule?» Kurz zusammengefasst: Die Bürgerlichen wollten Prüfungsnoten.
Genauso wenig überraschend waren die Voten auf der anderen Seite. Daniel Hölzle, Grüne, forderte, dass das bisherige Bewertungssystem beibehalten und weiterentwickelt wird. «Eine Überweisung der Motion wäre für die Schulentwicklung katastrophal.»
Für die Mitte trat Schulleiter Jürg Baur ans Rednerpult. Diese Motion verhindere eine förderungsorientierte Beurteilung. «Beurteilung hat mehrere Funktionen, Selektion ist nur eine davon.» Schulen wollen nicht die Noten generell abschaffen, sondern einfach einen förderlichen Weg bis zur Zeugnisnote finden, so Baur. Kurz zusammengefasst: Mitte-Links wollte keine Prüfungsnoten.
Am Schluss setzten sich im Aargauischen Grossen Rat die Bürgerlichen durch. Das kantonale Parlament hat die umstrittene Motion am Dienstagnachmittag mit 71 zu 64 Stimmen überwiesen. Das heisst: An den Aargauer Schulen wird es in Zukunft ab der 3. Klasse wieder Prüfungsnoten geben.
Aargauer Regierung wünschte sich Gesamtschau
Die Regierung hätte die Angelegenheit lieber erst einmal in einer Gesamtschau geprüft. Es sei anspruchsvoll, in der Debatte rund um Noten und Zeugnisse konsensfähige Lösungen zu finden, hatte der Regierungsrat im Vorfeld der Ratssitzung festgehalten.
Zielführende, konsistente Vorschläge liessen sich nur mit einer gesamthaften Betrachtung erarbeiten. Nun muss er dennoch direkt eine Vorlage mit Noten ab der 3. Klasse ausarbeiten.