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Schweiz Das umstrittene Pflanzengift auf Schweizer Äckern

Glyphosat ist das meistverkaufte Unkrautbekämpfungsmittel der Welt. Im Frühjahr stufte die WHO das Mittel als wahrscheinlich krebserregend ein. In der EU droht nun ein Verbot. In der Schweiz hingegen unterstützt man Bauern, die ihre Äcker mit dem Herbizid bearbeiten.

Ein Bauer versprüht Pflanzenschutzmittel auf seinem Acker.
Legende: Laut der WHO ist Glyhposat für Menschen wahrscheinlich krebserregend. Keystone/Symbolbild

Eine liebliche Gegend im Oberaargau, die milde Herbstsonne wirft ihr Licht über schöne Höfe, sanfte Hügel und grasende Kühe. Mittendrin, auf einem Feld mit junger Gerste, steht der 52-jährige Bauer Samuel Käser. Sein Acker ist steil, die Erde hart. Seit Jahren wird hier nicht mehr gepflügt. «Ich habe mich vor sechs Jahren entschlossen mit dem pfluglosen Anbau anzufangen», sagt Käser.

Chemie ersetzt den Pflug

Er sei überzeugt von der Methode, sagt der Bauer, der auf seinen 26 Hektaren Milchwirtschaft und Ackerbau betreibt. Seine Felder sind alle am Hang. Seit er nicht mehr pflüge, habe er keine Probleme mehr mit Erosion. Der Boden wird bei Regen also nicht mehr weggespült. Dass er seinen Pflug ausgerechnet vor sechs Jahren in die Ecke gestellt hat, hat noch einen anderen Grund. Käser gibt offen zu, dass er dafür pro Hektar und pro Jahr Geld bekommt: «Vor sechs Jahren hat der Kanton sein Programm gestartet. Das gab 250 Franken und so kann ich das Glyphosat plus die Arbeit zum Sähen bezahlen.»

Glyphosat ist das meistverkaufte Pflanzengift der Welt, welches zunehmend in Verruf gerät. Da Käser sein Unkraut nicht mehr unterpflügt, muss er es mit Gift loswerden: «Ich brauche Chemie, damit ich die Felder mit Glyphosat abbrennen kann. Nach dem Abbrennen wird dann das Feld direkt bestellt.»

Der Bund gibt also Geld dafür, dass, ohne zu pflügen, Regenwürmer und Boden möglichst geschont werden – und subventioniert gleichzeitig den Einsatz eines hoch umstrittenen Totalherbizids.

«Es besteht ein gewisser Zielkonflikt»

Käsers Nachbar, Peter Käser, ein entfernter Verwandter und ebenfalls Bauer mit steilen Äckern, findet, dass sich dies widerspricht: «Man unterstützt ein Programm, bei dem Chemie angewendet wird – das ist eine politische Sache. Wenn ich auf teure Weise den Pflug anhänge, bekomme ich nichts.»

Victor Kessler, beim Bundesamt für Landwirtschaft für Direktbeihilfen zuständig, stellt dies gar nicht in Abrede: «Es besteht zugegebenermassen ein gewisser Zielkonflikt, dass man bei diesem Verfahren auf bestimmten Böden die bestehende Vegetation mit Glyphosat etwas bremsen kann.»

Kessler legt aber Wert auf die Feststellung, dass es noch mehr Direktbeihilfen für Bauern gibt, die ganz auf den Glyphosat-Einsatz verzichten. Dies allerdings mehr mit Rücksicht auf den Boden als auf die Menschen.

Bund prüft Alternativen

Denn der Bund hält Glyphosat – im Gegensatz zur Weltgesundheitsorganisation – für gesundheitlich unbedenklich. Es sei zwar grundsätzlich möglich, dass Menschen über die Nahrung Rückstände von Glyphosat aufnehmen könnten, dieser werde aber via Urin schnell wieder ausgeschieden, heisst es in einer Stellungnahme.

Anders als in der EU ist ein Verbot des umstrittenen Mittels in der Schweiz derzeit kein Thema. Kessler bekräftigt aber, dass der Bund die Vorwürfe ernst nehme: «Wir prüfen natürlich laufend die neusten Erkenntnisse und sind daran, Alternativen zu suchen, um Glyphosat zu ersetzen.» Die Suche gestalte sich aber auch deshalb als schwierig, weil Glyphosat allzu billig sei – und auch deshalb bei Bauern derart beliebt.

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