In der Debatte um die Mindestlohn-Initiative sangen die Arbeitgeber das Hohe Lied der Sozialpartnerschaft: Nicht der Staat, sondern die Sozialpartner sollten Löhne und Arbeitsbedingungen selber regeln. Das sah auch das Volk so, und es lehnte die Initiative ab. Doch nun kritisieren die Gewerkschaften die Arbeitgeber: Diese seien nicht bereit, über höhere Löhne zu diskutieren.
Im Detailhandel verdient jeder und jede siebte Angestellte weniger als 22 Franken in der Stunde, das zeigen Zahlen des Bundes. In keiner anderen Branche gibt es mehr Tieflohn-Angestellte. Dies wollen die Gewerkschaften ändern; doch bislang ohne Erfolg, wie Natalie Imboden von der Gewerkschaft Unia sagt: «Die Arbeitgeberverbände wollen nicht mit uns über nationale Gesamtarbeitsverträge verhandeln.»
Von einem branchenweiten GAV, wie es ihn etwa im Gastgewerbe bereits gibt, will man zum Beispiel bei den Schuhhändlern nichts wissen. Verbandspräsident Dieter Spiess:
«Ich bin ein Gegner einer Festlegung des flächendeckenden Mindestlohnes. Die Schweiz kann man nicht als Einheit betrachten, man muss das differenziert betrachten.»
H&M führt neuen Mindestlohn ein
Der Schuhverband empfiehlt zwar einen Mindestlohn von 4000 Franken; doch nicht alle Geschäfte könnten dies bezahlen, hält Spiess fest. Im Emmental oder im Jura seien die Preise und damit auch die Löhne tiefer. Ähnlich argumentiert man auch bei der Vereinigung der Modegeschäfte.
Etwas Bewegung nach oben gibt es immerhin; Tally Weijl etwa kündigte kürzlich im Sonntags-Blick an, die Mindestlöhne in den nächsten Jahren auf gegen 4000 Franken zu erhöhen. Und H&M will ab 2015 einen Mindestlohn von 22 Franken pro Stunde für alle einführen.