Das Ja zur Initiative gegen Masseneinwanderung sei ein Weckruf gewesen, sagt Benedikt von Tscharner. Er ist Jurist und Botschafter im Ruhestand. Und er ist Mitglied der Gruppe von bekannten Personen, die sich für Europa einsetzen. Er sagt: «Die Dimensionen wurden verkannt. Vielleicht nicht von den Initianten, aber von den Parteien und der Öffentlichkeit insgesamt.»
Jetzt hole man nach, was man schon vor dem 9. Februar hätte tun sollen: Nämlich an die Bevölkerung appellieren, aktiv den bilateralen Weg zu verteidigen.
Die aktuelle Stimmung bereite ihm Sorgen, so von Tscharner: «Wir können Europa nicht mit einem Nein zu Europa von der Karte wegwischen. Es beunruhigt mich auch, dass man die Lösung gewisser echter Probleme in der Abschottung von den Nachbarn sucht und nicht gemeinsam mit ihnen. Das sind schon grundsätzliche Fragen.»
Sorgen wegen rückwärtsgewandter Politik
Auch die alt Bundesräte Pascal Couchepin, Ruth Dreifuss und Micheline Calmy-Rey stehen hinter dem Appell – ebenso Patrick Odier, Präsident der Bankiervereinigung, und SBB-Verwaltungsratspräsident Ulrich Gygi. Das sind Stimmen mit Gewicht.
Noch unbekannt ist dagegen die zweite Gruppierung, die sich «Operation Libero» nennt. Sie besteht aus rund 50 jungen Akademikern. Auch für sie war das Ja zur SVP-Initiative der Auslöser, wie Co-Präsident Dominik Elser sagt: «Für uns war das Abstimmungsergebnis ein Zeichen dafür, dass die Politik nicht mehr in die Zukunft schaut; dass sie sich nicht mehr traut, grosse Fragen anzunehmen.»
Er und seine Mitstreiter sind überzeugt, «dass es neue Stimmen braucht, die mit Zuversicht in die Zukunft schauen, die gerade das Problem der Zuwanderung nicht als Problem sehen, sondern als eine Chance». Zu diesen neuen Stimmen wollen die jungen Akademiker gehören.
Junge wollen Stimmung im Land beeinflussen
«Wir finden es schade, dass es eine Grundstimmung gibt, die lieber in die Vergangenheit zurückgehen würde», so Elser weiter. «Wie können uns der Zukunft, in der wir leben werden, nicht verschliessen. Man kann den Fragen nicht ausweichen, die sich jetzt stellen.»
Beide Gruppierungen wollen in den nächsten Monaten Veranstaltungen zur Europapolitik organisieren. Die Mitglieder sollten sich persönlich einbringen, sagt von Tscharner, Mitunterzeichner des Appells «Die Schweiz in Europa»: «Ich verspreche mir davon, dass man darüber spricht. Das würde natürlich bedingen, dass viele Unterzeichnende sich engagieren und an diesen Debatten teilnehmen, damit diese Stimme auch vorhanden ist», die Stimme der europafreundlichen Schweizer.
Es gelte, Ängste vor Europa abzubauen, meint Elser. Dies gelinge, «in dem wir aufzeigen, dass Veränderungen eine Chance sind, dass es uns besser geht wegen diesen Veränderungen, dass auch in Zukunft noch bessere Zeiten vor uns liegen, und in dem man informiert und aufgeklärte Politik betreibt». Das Ziel der beiden Gruppen ist es, dass die Europapolitik auch in der breiten Bevölkerung diskutiert wird.