Im Februar hatte das Schweizer Stimmvolk Ja gesagt zur Masseneinwanderungsinitiative der SVP. Seither wird die Vorlage heiss diskutiert – denn die Umsetzung korreliert mit dem Personenfreizügigkeitsabkommen, das die Schweiz mit der EU abgeschlossen hat. Die Bilateralen sollen auf keinen Fall unter dem Ja zur Initiative leiden.
Der SRG Wahlbarometer bringt diesen Konflikt ans Tageslicht. Die Schweizer Stimmbürger würden am liebsten die Initiative umsetzen, ohne die Bilateralen mit der EU zu gefährden. Ist dies aber nicht möglich, stünden beim Volk die Bilateralen über der Umsetzung der Initiative.
SVP will zurück in die Vergangenheit
In der Sendung «Arena» wird genau dieses Dilemma diskutiert. Politiker und Experten nehmen Stellung zu vier Lösungsvorschlägen – die, wie sich herausstellt, allesamt Vor- und Nachteile mit sich bringen.
Der erste Lösungsvorschlag zur Umsetzung der Initiative kommt von der SVP selber: SVP-Nationalrat Lukas Reimann (SG) will die Zulassungsregelungen aus den Jahren 1970 bis 2002 wieder einführen. An erster Stelle steht für ihn eine Reduktion der Einwanderung – das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU müsste dann überarbeitet werden. Dieser Vertag sei alleine im Interesse der EU, sagt Reimann. Verträge müssten aber beiden Seiten nützen.
Für CVP-Nationalrat Gerhard Pfister (ZG) wäre das Dahinfallen der Bilateralen eine «Katastrophe für die Schweiz». Man müsse die Einwanderung reduzieren, in dem man den Inländervorrang besser interpretiere, sagt er.
Artikel einfach wieder streichen?
Auch Ständerat Felix Gutzwiller (FDP/ZH) ist der Meinung, dass man die Bilateralen bei der Umsetzung der SVP-Initiative nicht einfach aussen vor lassen dürfe – «kein Mensch will zurück zum alten System».
Als nächstes besprechen die «Arena»-Teilnehmer einen Lösungsvorschlag von Thomas Cottier, Völkerrechtsprofessor an der Universität Bern. Er würde den Artikel, der nach dem Ja zur Einwanderungsinitiative in die Verfassung geschrieben wurde, am liebsten wieder löschen. Dafür würde er gerne einen Artikel ergänzen, der gesetzlich festlegt, dass die Bilateralen mit der EU nicht angetastet werden dürfen.
Cottier geht es vor allem darum, einen Alleingang der Schweiz auszuschliessen. Doch mit seiner Meinung steht der Professor ziemlich alleine da. Felix Gutzwiller etwa sagt, es sei viel zu früh, alles wieder zu entfernen. Gerhard Pfister geht sogar noch einen Schritt weiter: «Der Vorschlag ist nicht zu früh, er ist grundfalsch.» Wieso sollten die Schweizer Bürger noch an die Urne gehen, wenn sowieso alles wieder rückgängig gemacht werde, fragt er sich.
Bilaterale und Zuwanderung in der Verfassung
SVP-Mann Lukas Reimann will von einem Streichen des Artikels natürlich ebenfalls nichts wissen. «Das Schweizer Volk duldet es nicht, einen Entscheid, der noch nicht einmal umgesetzt ist, wieder zu kippen.»
Weiter geht es mit der Idee der Parteien BDP und CVP. Diese wollen – ähnlich wie Thomas Cottier – einen Alleingang der Schweiz verhindern und die vertragliche Zusammenarbeit mit der EU in der Verfassung verankern. Von einem Streichen des Initiativ-Artikels sehen sie aber ab.
Doch damit verlangen die Parteien genau den Fünfer und das Weggli. Dies sieht auch Nationalrätin Barbara Gysi (SP/SG) so. «Mit dem Vorschlag haben wir einen Widerspruch in der Verfassung», sagt sie. «Das macht es nicht besser.» Zudem bestehe die Gefahr, dass die wirtschaftlichen Prozesse nicht optimiert würden – wie etwa die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Zum Schluss wird noch der Vorschlag des Bundesrates vorgestellt. Dieser will ganz klar den Volkswillen respektieren und den Zuwanderungsartikel umsetzen. Er will aber auch die Beziehungen zur EU erhalten und weiterentwickeln. Auch hier ein Widerspruch?
Für Felix Gutzwiller nicht. Er glaubt, dass im Inland einiges gemacht werden kann, was die Zuwanderung bremst. Schweizern den Vorrang geben, ältere Arbeitnehmer einstellen oder Frauen mit Kindern den Wiedereinstieg in den Beruf erleichtern.
Bundesrat muss Konzept vorstellen
Barbara Gysi ist froh, dass der Bundesrat nach einer Lösung sucht, welche die Bilateralen wenn möglich nicht tangiert. Doch es brauche jetzt einfach Geduld. «Wir müssen den Bundesrat jetzt arbeiten lassen.»
Gerhard Pfister glaubt, dass der Bundesrat als erstes nach Lösungen in der Schweiz suchen müsse – und erst dann auf Gespräche mit der EU eintreten. Dies sieht auch Lukas Reimann so: «Wir müssen zuerst im Inland ein Konzept machen und dann damit nach Brüssel gehen.»