SRF: Sie sind mit der neuen Regelung des Bundesrates nicht einverstanden. Warum?
Dominique Strebel: Der Whistleblower kennt den Missstand am besten. Nach der Regelung des Bundesrates darf er nun nicht mehr beurteilen, ob die Reaktionen des Arbeitgebers oder der Behörde angemessen sind. Er hat einfach zu schweigen, auch wenn die Massnahmen des Arbeitgebers oder der Behörde untauglich sind, den Missstand zu beheben.
Das heisst, sie haben ein gewisses Misstrauen gegenüber den Behörden.
Ja, das habe ich. Die Behörde, die den Missstand geschaffen hat, soll sich quasi selber reinigen. Das funktioniert regelmässig nicht.
Zuletzt bei der Korruptionsaffäre im Seco. Das Seco hat über Jahre selber Abklärungen getroffen und keine Missstände festgestellt. Dieser Fall ist erst durch die Medienarbeit bekannt geworden. Das ist ein Paradebeispiel für das Versagen der behördeninternen Kontrolle.
Inwiefern sind Medien darauf angewiesen, dass interne Informationen an sie gelangen?
Das ist eine wichtige Quelle, um die Wächterfunktion der Medien wahrzunehmen. Die Medien gelten als vierte Gewalt, welche die Verwaltung im Namen der Bürger kontrolliert.
Diese Rolle wurde verschiedentlich durch Urteile des Bundesgerichts und des europäischen Gerichtshofs in Strassburg bestätigt. Diese Kontrolle wird in Zukunft sehr erschwert bis verunmöglicht.
Wie müsste denn der Gang an die Medien gesetzlich geregelt sein?
Es muss zwingend verlangt werden, dass an eine interne Anlaufstelle gemeldet wird. Diese Anlaufstelle muss aber eine gewisse Qualität aufweisen. Wenn der Whistleblower sieht, dass der Missstand nicht behoben wird, müsste er danach in jedem Fall an die Behörden gelangen dürfen.
Mit dem Gesetz des Bundesrats darf er es nur dann, wenn gegen Gesetze verstossen wird. Nur sind nicht alle Unregelmässigkeiten automatisch Gesetzesverstösse. Der Whistleblower kann nicht in jedem Fall beurteilen, ob ein Gesetzesvorstoss vorliegt. Reagieren die Behörden nicht auf die Meldung, sollte er an die Medien gelangen dürfen.