«Wir müssen Kinder und Jugendliche aus kriegsvertriebenen Familien in die Schule integrieren», stellt Beat Zemp klar. Für den Zentralpräsident des Dachverbandes der Schweizer Lehrerinnen und Lehrer steht ausser Frage, dass auch die Schulen einen Integrationsauftrag zu leisten haben. Doch Zemp sieht den Herausforderungen mit gemischten Gefühlen entgegen: «Die Welle, die auf uns zukommt, stellt das Bildungswesen vor grosse Probleme. Je nach Anzahl der Asylsuchenden müssen wir spezielle Massnahmen ergreifen».
Kultur, Schulregeln und Sprache lernen
Für die zusätzlichen Kinder und Jugendlichen brauche es Unterstützung von Fachpersonen, welche sich um ihre Sozialisierung kümmern würden. «Flüchtlingskinder haben sehr oft traumatische Erlebnisse hinter sich. Sie kennen unsere Kultur noch nicht und müssen über die geltenden Regeln an den Schulen informiert werden», präzisiert Zemp. Komme hinzu, dass die Flüchtlingskinder die Sprache lernen müssten.
Deshalb fordert der Lehrerinnen- und Lehrerverband zusätzliche Gelder und Ressourcen von Bund und Kantonen. «Der Bund muss für die Integrationsmassnahmen wie in den Neunzigerjahren einen Pro-Kopf-Beitrag zur Verfügung stellen», fordert Zemp. Die Gemeinden und Kantone wären dann für Räumlichkeiten und Organisation des Unterrichts zuständig.
Zusätzliche Mittel im Bildungsbereich zu generieren, dürfte kein einfaches Unterfangen sein. So rechnet der Lehrerinnen und Lehrerverband damit, dass bis 2018 mindestens 180 Millionen Franken eingespart werden müssen. Doch Zemp will dies nicht gelten lassen: «Man kann den Schulen nicht rigorose Sparmassnahmen verordnen und dann erwarten, dass sie den zusätzlichen Aufwand für die Integration von Flüchtlingskindern auch noch bewältigen – das geht nicht.»
Beim Staatssekretariat für Migration verweist man jedoch darauf, dass der Bund den Kantonen bereits einmalig 6000 Franken pro Person zahle. Zudem gibt es eine Globalpauschale für Asylsuchende von monatlich 1200 Franken. Die Kantone seien frei, dieses Geld auch für die Bildung zu verwenden.
Einschulung in Bundeszentren?
Sollte die Finanzierung klappen, sieht Zemp mit Verweis auf die Flüchtlingswelle aus dem Kosovo in den Neunzigerjahren den Aufgaben jedoch optimistisch entgegen: «Die Integration ist uns damals recht gut gelungen. Die Erziehungsdirektorenkonferenz hatte den Kantonen empfohlen, bei einer sehr grossen Anzahl von ankommenden Flüchtlingskindern in den ersten zwölf bis 15 Monaten spezielle Einschulungsklassen in den Bundeszentren zu führen. Diese wurden dann auch vom Bund finanziert.» Auch beim Bundesamt für Migration ist man für solche Vorschläge offen. So existiert bereits ein Pilotprojekt für Unterricht im Bundeszentrum in Bremgarten.
Unbegleitete Teenager-Flüchtlinge
Im Vergleich zum Kosovo-Konflikt in den Neunzigern sieht Zemp heute eine zusätzliche Herausforderung auf die Lehrerschaft zukommen. Vermehrt suchen Teenager ohne Familienangehörige Asyl in der Schweiz. «Diese Jugendlichen zu integrieren ist ungemein schwieriger, da die familiären Strukturen fehlen.» Hier müsste man laut Zemp neue Lösungen wie die Unterbringung der Jugendlichen in Gastfamilien suchen.
Zemp ist zuversichtlich, dass auch diese Herausforderungen gestemmt werden können, mahnt jedoch: «Die Schule kann nicht alles leisten. Es braucht die Mithilfe der gesamten Gesellschaft.»